Geschätzte 70.000 Abtreibungen in einem Land, in dem Abtreibungen seit Jahrzehnten strikt verboten und hart geahndet werden, sprechen für sich. Erst letzte Woche wurde ein weiterer Versuch der Regierung im Abgeordnetenhaus abgelehnt, Abtreibungen in drei Fällen zu legalisieren, die sogenannten „Tres Causales“. Wenn der Embryo nicht lebensfähig ist, das Leben der Mutter in Gefahr ist oder das Kind durch eine Vergewaltigung entstand.
Auch wenn es so scheint, dass die Abgeordneten nicht die größten Gegner des Gesetzes sind (in diesem Fall war eine Enthaltung der Grund für die Ablehnung), so spielt die katholische Kirche mit ihren erzreaktionären und patriarchalen Anschauungen eine weit größere Rolle, als sie in der Politik sollte bzw. überhaupt dürfte (nämlich gar keine). So machte sie öffentlichen Druck auf Politiker der konservativen Partei, sprach von einer unmoralischen Vorstellung und spielte sich, wie immer in diesen Fragen, als „Verteidiger des Lebens“ auf. Zynisch, wenn man betrachtet, wie viele Frauen wegen Komplikationen, die durch eine Abtreibung verhindert werden könnten, in den unterdrückten Ländern täglich sterben. Und noch zynischer wenn man sich die Verbrechen und den Missbrauch der Vertreter der katholischen Kirche weltweit am neuen Leben, den Kindern, erlaubt hat und deren Verantwortliche immer wieder durch das System der Kirche geschützt werden.

Uneingeschränkt unterstützen wiederum bürgerliche Feministinnen den Gesetzesentwurf, an dem sie selbst mitgearbeitet haben. Eine Vertreterin gab an: „Es ist ein Gesetzesentwurf, der die Entscheidungen der Frauen respektiert, sei es wegen Gesundheit, Lebensgefahr oder Vergewaltigung. Es handelt sich um einen historischen Prozess, der während der Militärdiktatur aufgehalten wurde. Aber heute haben wir eine Stimme, um zu kämpfen und die Möglichkeit des Wandels, damit das Parlament endlich für uns spricht“. Diese Aussage ist nicht verwunderlich, dient ihr „Feminismus“ doch der herrschenden Klasse, indem er eine Emanzipation der Frau innerhalb des bestehenden imperialistischen Systems, ohne Notwendigkeit einer Revolution, vertritt. Ebenso wie ihr Vertrauen aufs Parlament, das dazu führt, dass der alte chilenische Staat und sein bürokratkapitalistisches System scheinbar legitimiert werden, durch eine fingierte „Vertretung der Massen“.

An dieser Stelle ist es notwendig auf eine Stellungsnahme der Frente de Estudiantes Revolucionario y Popular (FERP) aus Chile zu verweisen. Sie stellen klar, dass besonders die Frauen des Volkes, Bäuerinnen, Arbeiterinnen, arme Frauen und Studentinnen besonders von dem jetzigen Verbot betroffen sind. Reiche Frauen haben bislang immer noch die Möglichkeit, sich ungestraft in Privatkliniken behandeln zu lassen, während die armen Frauen dafür viel Geld aufbringen müssen, sich überhaupt eine Abtreibung in geheimen Kliniken leisten zu können. Deswegen beziehen sie sich in ihrer Erklärung auch nur auf die Frauen des Volkes. Die Krümel, die die Herrschenden jetzt dem Volk hinwerfen wollen, verdecken nicht ihre mörderischen und ausbeuterischen Absichten, die sie im Kampf gegen das rebellische Volk führen. Die Herrschenden wollen die armen Frauen von der Bildfläche verschwinden lassen, allein zu Hause mit Kindern und Haushalt und Lohnarbeit. Weiter kritisiert die FERP die Parole der kleinbürgerlichen Feministinnen „Mein Körper gehört mir!“, eine Parole, die von dem Klassencharakter dieses Problems ablenkt. Sie ruft stattdessen dazu auf zu kämpfen. Denn nur in einer befreiten Gesellschaft, kann die Frau befreit sein.