Gegenwärtig taucht in den Nachrichten ein Name immer wieder auf: Nawalny. Alexei Anatoljewitsch Nawalny ist russicher Rechtsanwalt und oppositioneller Dissident der Russischen Förderation. Bekannt ist er für seine Antikorruptioskampagne gegen Putin und seine Clique geworden. 2013 erzielte er nach offiziellen Zahlen 27% der Stimmen zur Bürgermeisterwahl in Moskau und galt seitdem als bekanntestes Gesicht der Anti-Putin-Bewegung.

Seit dem 22. August 2020 wird Nawalny im Berliner Krankenhaus Chartié behandelt und auf Vergiftung hin untersucht, denn vermutlich wurde diesem unliebsamen Oppositionellen in Russland ein Gift verabreicht. Schnell kam das toxikologische Bericht aus dem Krankenhaus und wurde von höchster politischer Stelle den Medien präsentiert: Nawalny wurde nachweislich versucht zu ermorden.

Mitnichten ist Nawalny ein linker, oder sozial eingestellter Mensch. Im Gegenteil: Nawalny nahm  an rechtsradikalen Demonstrationen und Aufmärschen teil und bezeichnet sich selbst als „nationalistischen Demokraten“ The Economist

„Bekanntermaßen ist es um das Verhältnis zwischen Russland und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht zum Besten bestellt. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl im März 2018 wurde im Westen der Oppositionelle Aleksej Naval’nyj als demokratische Alternative zu Amtsinhaber Vladimir Putin gesehen. Naval’nyjs extrem rechte politische Einstellungen kamen dabei nicht zur Sprache. (…) Naval’nyj und die gegen ihn geführten Prozesse könnten mit denen gegen die Frauen- Punk-Band »Pussy Riot« verglichen werden – wäre da nicht seine extrem rechte politische Einstellung. Aus der sozialliberalen Partei »Jabloko« wurde er wegen nationalistischer Parolen im Jahr 2007 ausgeschlossen. An den extrem rechten »Russischen Märschen« nahm er seit 2009 regelmäßig teil. Der »Russische Marsch« findet seit 2005 jährlich am 4. November, dem Tag der »Einheit des Volkes« statt und wurde unter anderem von Aleksandr Dugins »Eurasischer Bewegung«, der extrem rechten »Bewegung gegen illegale Immigration« (DPNI) und der inzwischen verbotenen neonazistisch-paramilitärischen »Slavischen Union« (SS) ins Leben gerufen. 2009 gehörte Naval’nyj zu den OrganisatorInnen und RednerInnen bei diesem Aufmarsch. Im Aufruf hieß es unter anderem: »Der freie Mensch braucht Ehre. Uns verbindet die gemeinsame nationale Ehre und deshalb fühlen wir uns frei.« Ein Mobilisierungsvideo ist hinterlegt mit dem »Lied vom Stahl« des Ministerialbeamten im NS-Propagandaministerium Wilfried Bade. (…) »Russland den Bürgern Russlands« fordert er auf seiner Homepage. 2008 schrieb er bis heute abrufbar in seinem Blog: »Die gesamte nordkaukasische Gesellschaft und ihre Eliten teilen den Wunsch, wie Vieh zu leben. Wir können nicht normal mit diesen Völkern koexistieren.« Zehn Jahre später lässt er verlautbaren: »Die visafreie Regelung mit den Ländern Zentralasiens wirkt sich negativ auf den Arbeitsmarkt in Russland aus und führt zu unkontrollierten Migrationsströmen. (…) Wenn eine Gesellschaft einen Massenzustrom von Migranten mit einer deutlich anderen Lebensweise, ohne Sprachkenntnisse, mit einem niedrigen Kulturniveau nicht akzeptiert, sollten vernünftige Politiker dies in praktische Lösungen umsetzen und die Migrationsströme entsprechend anpassen.«“ Der rechte Rand

Warum interessiert man sich für Nawalny?

Was ist das bedenkenswerte an der ganzen Geschichte? Politische Morde (oder versuchte Morde) sind in der bürgerlichen Politik nichts außergewöhnliches, sondern eher die Regel statt die Ausnahme. In den seltensten Fällen jedoch wird das Ausschalten unliebsamer oppositioneller in „fremden“ Nationen zum Staatsakt aufgebauscht. Mehr noch: nicht einmal Staatsputsche sind regelmäßig ein Wort der Bundeskanzlerin wert – im Gegenteil, lieber verteidigt man die rechts-bürgerliche Oppsositionsputschisten gegen  „linke“ Regierungen, wie in Venezuela. Kurzum: Oppositionen in fremden Nationen ist der herrschenden Bourgeoisie vollkommen gleichgültig, sofern es nicht mit ihren Interessen zusammenfällt.

Denn auch zu den täglichen Morden durch Bullen an der schwarzen Bevölkerung in den USA vernimmt man aus der deutschen bürgerlichen Politik nur Stille, selbst wenn sogar NGOs wie Amnesty International Menschenrechtsverletzungen monieren.

Warum also wird Nalwany zum Politikum erhoben? Warum lässt man ihn in die BRD Einfliegen und medienwirksam im Charité untersuchen und das Ergebnis in die Öffentlichkeit lancieren? Warum ist plötzlich ein oppositioneller von so immenser Wichtigkeit, dass er wochenlang die Schlagzeilen in sämtlichen Nachrichten einnimmt? Warum wird von russischen Verbrechen gesprochen und schwerwiegende Sanktionen gegen die russische Förderation eingefordert?

„Das Verbrechen an Nawalny sei ein so schwerwiegender Verstoß gegen das internationale Chemiewaffenabkommen, dass es nicht ohne eine spürbare Reaktion bleiben könne.“ Der Spiegel

,sagt sogar Außenminister Heiko Maas (SPD) in einem kürzlich veröffentlichten Interview in der BILD am Sonntag.

Der Grund ist einfach: Weil es der bürgerlichen Politik dienlich ist um die Meinung der Bevölkerung gegen die russische Föderation zu drehen und diese Bevölkerungsmeinung als Druckmittel gegen Russland zu nutzen. Infolge ist es für die BRD einfacher Wirtschaftssanktionen gegen Russland durchzusetzen. Die russische Föderation möchte militärisch, politisch und ökonomisch die Position der ehemaligen Supermacht UdSSR zurück erobern und sich gegen den Einkreisungsfeldzug der USA verteidigen.  Es ist trotz der veränderten Umstände immer noch dem Verständnis dieses interimperialistischen Widerspruchs förderlich, was die Kommunistische Partei Perus 1988 über die beiden Supermächte USA und der revisionistischen UdSSR schrieb:


„Wir erwägen, dass die These des Vorsitzenden Mao Tse-Tung von den drei Welten, die sich ausformen richtig und korrekt ist und sie ist verbunden mit der These Lenins über die Kräfteverteilung in der Welt, basierend auf der Analyse der Klassen und der Widersprüche. Wir lehnen die opportunistische und revisionistische Verdrehung von Teng Hsiao-ping von den drei Welten ab, die dazu führt dass man der USA nachtrabt und die Revolution verkauft. Damit als Ausgangspunkt analysiert der Vorsitzende Gonzalo die aktuelle Lage der drei Welten, die sich ausformen und zeigt, dass sie eine Wirklichkeit sind, was die erste Welt anbelangt ist sie die beiden Supermächte, USA und UdSSR, die diejenigen sind die um die Welthegemonie ringen und einen imperialistischen Krieg loslassen können, sie sind Supermächte weil sie ökonomisch, politisch und militärisch mächtiger sind als die übrigen Mächte; die USA haben eine Ökonomie, die zentriert ist auf das nichtstaatliche Monopoleigentum, politisch entfalten sie eine bürgerliche Demokratie mit einer zunehmenden Begrenzung der Rechte, es ist ein reaktionärer Liberalismus, militärisch sind sie der Mächtigste im Westen und sie haben einen länger dauernden Entwicklungsprozess. Die UdSSR ist ökonomisch zentriert auf das staatliche Monopol, politisch ist sie eine faschistische Diktatur von einer bürokratischen Bourgeoisie und militärisch ist sie eine Macht auf höchster Ebene, obwohl ihr Entwicklungsprozess kürzer ist. USA streben nach der Erhaltung ihrer Domänen und auch danach sie zu erweitern. Die UdSSR zielt mehr auf die Erweiterung, weil sie eine neue Supermacht ist und ökonomisch ist sie interessiert Europa zu vereinnahmen, um bessere Bedingungen zu haben. In Synthese sind sie zwei Supermächte, die nicht einen Block ausmachen, sondern ihre Widersprüche haben, klare Unterschiede unter sich haben und sich innerhalb des Gesetzes von Verschwörung und Streit um die Umverteilung der Welt bewegen.“ (Kommunistische Partei Perus, Einheitsbasis)


Die herrschende Bourgeoisie dämonisiert Russland in der Meinung der Weltbevölkerung als verbrecherische Nation, die von einem brutalen Massenmörder geführt wird. Unter diesen Bedingungen kann sie leichter gegen Russland vorgehen und bspw. Wirtschaftssanktionen durchsetzen. Dies geschieht unter der Führung des US-Imperialismus der seit dem Niedergang der sozialimperialistischen Sowjetunion einen Einkreisungsfeldzug gegen das imperialistische Russland führt, um sein Wiedererstarken zu verhindern und die eigene Position gegenüber dem einzigen militärisch ebenbürtigen Gegner zu festigen.

Nachdem die ukrainische Regierung unter Wiktor Janukowytsch es gewagt hatte, die Abkommen mit der EU nicht einfach zu unterschreiben, sondern ein Gegenangebot von Russland einzuholen, wurde sie von den USA und der BRD weggeputscht. Das waren die sogenannten Euromaidan Proteste, in deren Verlauf vom Westen hofierte Faschisten unter anderem ein Gewerkschaftshaus anzündeten und die sich vor den Flammen durch Sprünge rettenden Menschen mit Schaufeln erschlugen. Russland kann bis heute durch seine Lakaien den Osten der Ukraine halten und hat die Krim annektiert. Die Nato wiederum reagierte mit dem Manöver „Defender 2020“, einem Kräftemessen auf internationaler Bühne. Nalwany als vergifteter oppositioneller spielt dem US-Imperialismus und seinen imperialistischen Verbündeten (insbesondere der BRD) folglich in die Hände. Die Meinung der Bevölkerungen ist zentral. Wenn die Bevölkerung nicht hinter „ihrer“ politischen Führung steht, fällt es umso schwerer unliebsame und tendenzell kriegerische Maßnahmen durchzuführen. Einen „Schurkenstaat“ hingegen für sein „böses“ handeln zu bestrafen (Wirtschaftssanktionen) lässt weitaus weniger Widerspruch in der eigenen Nationen entstehen, weniger Demonstrationen gegen Krieg aufkommen, und weniger „unnötige“ Fragen der politischen Opposition und Nachrichtenagenturen entstehen. Wenn der Feind klar identifiziert ist und und in den schwärzesten Farben ausgemalt wurde, hat man leichtes Spiel die eigenen Interessen (namentlich die der Bourgeoisie) gegen die der anderen (der Bevölkerung bzw. Arbeiterklasse sowie anderer imperialistischer Mächte) durchzusetzen. Im Konkreten lesen sich die angekündigten Sanktionen in der bürgerlichen Presse wie folgt:

„In einer Erklärung zu Nawalny warnte die EU vor restriktiven Maßnahmen gegen Moskau. Denkbar wäre aber, dass gezielt Verantwortliche sanktioniert würden, etwa deren Einreise in die EU verboten und Konten in Europa gesperrt werden. (…) Es bliebe die Möglichkeit von Wirtschaftssanktionen, die stärker politisch motiviert sein können. Gegen Russland hat die EU nach dem Abschuss von Flug MH17 im Ukrainekonflikt 2014 eine ganze Reihe solcher Strafmaßnahmen verhängt: Sie richten sich gegen Staatsbanken, den Im- und Export von Rüstungsgütern sowie die Öl- und Gasindustrie.“ Der Spiegel

Die bürgerliche Politik unterstützt oppositionelle in unliebsamen Nationen immer dann, wenn es ihren Interessen dient. So war es in Venezuela (Guaido), so war es in Chile (Pinochet), so ist es in Russland, und so ist es in unzähligen anderen Nationen passiert, die hier alle aufzulisten den Rahmen sprengen würden. Die bürgerliche Politik gibt vor die „Menschenrechte“ hoch zuhalten, doch macht sie das stets nur dosiert in Übereinkunft mit den eigenen Interessen. Die „Menschenrechte“ werden lediglich verbal verteidigt, in der Praxis jedoch missbraucht und konterkariert um die eigenen Macht- und Herrschaftsinteressen kriegerisch durchzusetzen (Z.B. Irak, Afhanistan etc.). Stets unter dem vermeintlichen Diktat der Verteidigung der grundlegenden Rechte der Menschheit.

Wo ist der Aufschrei aus der Bundesregierung über die Menschenrechtsverletzungen in den USA? Wo die Empörung über die Toten und Verkrüppelten „Oppositionellen“ Gelbwesten in Frankreich? Wo die Sanktionen gegen das EU-Mitglied Ungarn unter Orban, das nachweislich mit harter Brutalität und menschenrechtsverletzend Homosexuelle wortwörtlich zu Tode prügeln lässt? Nirgendwo, denn eine Verurteilung dieser Vergehen wären gegen die Interessen der Bourgeoisie und ihr in dem Moment nicht dienlich. In allem, was in der Politik vorgeht, muss stets die simple, aber erhellende Frage gestellt werden: Wem (welcher Klasse) dient es? Wer hat einen Nutzen aus dieser oder jener Handlung? Denn nichts passiert zufällig, und keinesfalls darf man der Bourgeoisie mit ihren vorgeschobenen (Lügen)konstrukten auf den Leim gehen. Stets muss die Frage nach dem Klassenstandpunkt gestellt werden, welcher Klasse gedient wird.

Fazit:

Im Fall Nawalny geht es um politische Interessen der Bourgeoisie. Im Konkreten wird Nawalny benutzt um die Vorherrschaft des US-Imperialismus auszubauen und letztlich Nordstream 2 zu stoppen. Nordstream 2 ist eine Pipeline die günstiger Gas aus Russland durch die Ostsee leiten soll. Lange Überbrückungen, wie momentan durch osteuropäische Länder, die jeweils eine Gebühr für den Durchfluss nehmen, fällt für die BRD somit weg. Aber: die Abhängigkeit vom russischen Imperialismus wächst.

„Angela Merkel unterstützt den Bau der Gasleitung Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Deutschland. Dafür nennt sie zwei Gründe. Der erste: Deutschland hätte was davon, wenn russisches Gas nicht mehr durch die Ukraine nach Westen flösse, sondern durch Mecklenburg-Vorpommern. Transitgebühren, Arbeitsplätze, Marktmacht. Der zweite Grund ist strategisch: Russland braucht Partner. Wenn Europa sich verweigert, muss Putin auf China setzen, und man verliert jeden Einfluss.“ FAZ

„Im Prinzip spielen hier aber nur drei Länder für uns eine Rolle: Russland führt mit 34 Prozent der Importe leicht vor Norwegen (34 Prozent) und den Niederlanden (29 Prozent). Die Zahlen stammen allerdings aus dem Jahr 2015, weil das Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) seit 2016 die Importe nicht mehr nach Ländern differenziert.“ Focus

Das ist der hegemonialen Supermacht USA freilich ein Dorn im Auge. Bereits jetzt fordert Die US-Imperialismus freundliche Fraktion der Bourgeoisie, momentan am prominentesten Vertreten durch den ehemaligen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), der infolge der „Menschenrechtsverletzung“ durch die russische Förderation an dem Oppositionellen Nawalny einen sofortigen Stopp der Fertigstellung von Nordstream 2. Der Hauptinteressent einer sinkenden Abhängigkeit vom russischen Imperialismus ist der US-Imperialismus. Deshalb verschiebt sich die Debatte auch weg von allgemeinen Überlegungen von Sanktionen, hin zu konkreten Forderungen:

„Unterdessen forderten Politiker von CDU und Grünen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, seinen Posten beim Pipeline-Unternehmen Nord Stream 2 zu räumen. Grünenfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Sonntag: "SPD-Altkanzler Schröder muss sich jetzt entscheiden, ob er auf der Seite der Demokratie und der Menschenrechte steht."
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wandte sich gegen Forderungen nach einem Baustopp für die Ostseepipeline. "Nord Stream 2 muss weitergebaut werden", sagte der CDU-Politiker am Samstag. "Wir sind aufeinander angewiesen, wir brauchen diese Zusammenarbeit." Der CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz hatte einen zweijährigen Baustopp für Nord Stream 2 gefordert.“ (ebd.)


Hier offenbart sich der interne Widerspruch der deutschen Bourgeoisie. Denn ihr Zickzack Kurs innerhalb des Widerspruchs auf Weltebene zwischen Russland und den USA liegt daran, dass es in der BRD eine Fraktion der Bourgeoisie gibt, die sich durch eine größere Vereinigung mit Russland ökonomisch und militärisch unabhängiger vom US-Imperialismus machen will, und dadurch ihre Interessen bedient sieht, und es gibt eine Fraktion, die weiterhin hauptsächlich auf die Verschwörung mit den USA setzt.