In Nürnberg kam es kürzlich, am 11. Oktober, zu mehreren zeitgleich stattfindenden Hausdurchsuchungen gegen Antifaschisten. Insgesamt wurden die Wohnungen von sechs Personen durchsucht und allerlei technisches Gerät wie Handys oder Datenträger und sonstige Unterlagen, auf welchen die Bullen vermeintlich relevante Informationen vermuteten, beschlagnahmt. Nun sehen sich die Betroffenen mit einem §129-Verfahren konfrontiert. Grund dafür sind jedoch keine schwersten Straftaten, sondern das Sprühen von politischen Parolen.

Angeordnet wurden diese Maßnahmen von der Generalstaatsanwaltschaft München, mit Genehmigung des Münchener Amtsgerichtes. Die Einheiten, welche die Durchsuchungsmaßnahmen durchführten, waren Einheiten des sogenannten „Unterstützungskommando (USK)“, einer Sondereinheit der bayrischen Polizei, welche vor allem auch einen großen Schwerpunkt in der Bekämpfung von Unruhen hat, wodurch diese häufig gegen Proteste eingesetzt werden.

Der Vorwurf, den die Generalstaatsanwaltschaft macht, ist die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ gemäß $129. Daher wurde nun auch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen die Antifaschisten eingeleitet. Grundsätzlich stehen bei 129er-Verfahren eigentlich die vermeintliche Begehung schwerster Straftaten im Raum. Diese werden aber in der Regel meist einfach von der Reaktion, in einem politischen Verfolgungswillen ohne klare Beweise herbei konstruiert. In der aktuellen Situation in Nürnberg ist die Besonderheit allerdings, dass sich die Staatsanwaltschaft hier nicht mal die Mühe gibt, sich irgendwelche Indizien für eine solche schwerste Straftat aus den Fingern zu saugen. So sind die Straftaten, mit welchen die Durchsuchungen und das Ermittlungsverfahren begründet werden, lediglich das Schreiben von politischen Parolen an mehrere Wände. Mit den gemalten Parolen sollen die Antifaschisten sich angeblich zum sogenannten Antifa-Ost-Verfahren geäußert haben.

Sechs gleichzeitig stattfindende Durchsuchungen und ein eingeleitetes §129-Ermittlungsverfahren wegen des Sprühens von Parolen sind geradezu absurd, wenn man sich denn anschaut, wie viele Graffiti überall das Bild jeder größeren deutschen Stadt prägen. Grund für diese Repressionsmaßnahmen ist ganz offensichtlich der politische Verfolgungswille der deutschen Klassenjustiz gegen Antifaschisten.

Ein solches Vorgehen passt deutlich in die Tendenz, welche sich im Umgang der Repressionsbehörden mit dem Paragrafen 129 in den letzten Jahren über abzeichnete. So wird der Paragraf 129 immer häufiger als Verfolgungsinstrument gegen all jene Kräfte eingesetzt, welche den Interessen des deutschen Imperialismus in irgendeiner Art und Weise im Weg stehen. Ein sehr bekanntes Beispiel ist das bereits genannte Antifa-Ost-Verfahren, in welchem mehrere Antifaschisten, wegen ihrer vermeintlichen Aktivitäten gegen Faschisten, zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt wurden. Doch selbst pazifistische Kräfte, wie die Letzte Generation, deren Kampf ausschließlich aus gewaltfreien Aktionen besteht, sehen sich nun auch mit §129-Ermittlungen konfrontiert.

Für die deutschen Repressionsbehörden ist der §129 ein nützliches Werkzeug bei der Verfolgung politischen Widerstandes. Personen, welche vermeintlich Teil einer sogenannten "kriminellen Vereinigung" sind, können neben den Straftaten, welche ihnen vorgeworfen werden zusätzlich auch noch wegen der Mitgliedschaft in jener Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verurteilt werden. Auch ist dazu nicht nur die Mitgliedschaft, sondern auch die Unterstützung oder das Werben für Unterstützer strafbar. Wie genau diese "Unterstützung" aussieht wird nicht näher definiert. In der bekannten Wilkür der Repressionsbehörden kann aber jeder, der auf irgendeine Art und Weise denjenigen, welche nach dem Paragraf 129 verfolgt werden Hilfe zukommen lässt, oder sich auch nur öffentlich mit diesen solidarisiert dafür angeklagt werden

Ein zentraler Punkt dabei ist auch, dass sebst wenn das Verfahren zu keinem Ergebnis kommt und eingestellt wird, ein laufendes 129er Verfahren eine ganze Reihe an Bespitzelungsmaßnahmen erlaubt, welche (zumindest offiziell) zuvor nicht erlaubt sind. Solche Maßnahmen wären zum Beispiel das Verwanzen von Wohnungen oder das heimliche Überwachen von Chatverläufen. In der antifaschistischen Bewegung wird der Paragraf 129 daher auch oft passenderweise als sogenannter "Schnüffelparagraf" bezeichnet.

Das Vorgehen der Klassenjustiz in Nürnberg sind Entwicklungen, welche ein deutliches Bestreben des deutschen Staates zeigen, Widerstand mit immer mehr und heftigerer Repression zu überziehen. Dies ist ein Ausdruck, der zunehmenden allgemeinen Tendenz der Reaktionsarisierung des Staates, welche sich zum aktuellen Zeitpunkt auch besonders deutlich in der Repression gegen Pro-Palästinensische Proteste zeigt. In der Geschichte wurde von den herrschenden Klassen immer wieder versucht, den Widerstand gegen Ungerechtigkeit mit Repression zu brechen. Auf Dauer ist dies jedoch niemals gelungen. Es wird den Herrschenden auch diesmal nicht gelingen.