Die CDU echauffiert sich über das „Partyverhalten“ der Jugend und verliert sich im immer gleichen Appel. Man solle doch endlich „solidarisch“ sein und sich an die ‚Corona-Regeln‘ halten. Die SPD springt der CDU sogleich zur Seite – Solidarität sei schließlich ‚ihr‘ Stichwort und Steckenpferd, da kenne man sich aus. Gerade im Hinblick auf die neuen „Corona-Hotspots“ im Berlin, die sich rund um Freiluftfeiern in großen Parks heraus entwickeln und die Neuinfektionen besonders unter jungen Leuten grassieren lassen, lässt dies die Frage aufkommen, weshalb die heutige junge Generation so vermeintlich „unsolidarisch“ sei. (vgl. SPIEGEL spiegel.de corona in berlin kreuzberger nächte sind gefährlich)

Dass junge Leute dem Appell der bürgerlichen Politik nicht Folge leisten „solidarisch zu sein“ und sich an die sog. „Corona-Maßnahmen“ (AHA-Regeln) halten, ist letztlich Ausdruck und Folge der bürgerlichen Politik selbst. Seit Jahrzehnten wird die „Ellenbogen-Gesellschaft“ propagiert. Das Maß der Konkurrenz sei der Maßstab des Erfolges des Imperialismus und nur wenn man selbst gegen alle anderen im Konkurrenzkampf siegt, kann man in dieser bürgerlichen Welt ‚etwas werden‘. Solidarität wird also von bürgerlicher Seite bislang weder erwartet, gefördert noch gefordert. Im Gegenteil: Antisoziales und unsolidarisches Verhalten in der bürgerlichen Konkurrenz ist die gepredigte Haltung, die bereits frühauf in der schulischen Konkurrenz seinen Anfang nimmt. Davon, dass die Bourgeoisie bei privaten Feiern nicht einmal selbst vorbildlich die einfachsten Regeln einhält ganz zu schweigen.

Nun also die Kehrtwende bürgerlicherseits. Besonders die CDU unter Gesundheitsminister Jens Spahn fordert unbedingte Solidarität im Umgang mit Corona. Plötzlich müsse man an all die Mitmenschen denken - die Alten, die Schwachen, die Vorbelasteten usw. Dabei waren es gerade eben die bürgerlichen Parteien selbst, die das Band der Solidarität im Jahrzehntelangen Sozialabbau zu Lasten der Ärmsten und Schwächsten immer mehr gedehnt und letztlich zerrissen haben. Der Glaube an ihre bürgerliche Solidarität endet spätestens beim Anblick von flaschensammelnden Rentnern, die ohne tägliche Zuarbeit nicht überleben können und gedemütigt sowie entwürdigt den Abfall dieser Gesellschaft noch zu Geld machen müssen, anstatt den Lebensabend genießen zu können. Die Bürgerlichen fordern also ein, was sie selbst nie gegeben, sondern vielmehr verdammt haben: Solidarität. Denn Solidarität sei Schwäche, Sozialdarwinismus Stärke – und siegen tut in der bürgerlichen Gesellschaft letzten Endes nur der aller Stärkste, der seine Konkurrenz endgültig ausschaltet. Bürgerliche Actionfilm-Propaganda aus Hollywood hinterlässt ihre Spuren und belegen zu Genüge den Glauben an die Allmacht des Individuums.

Wenn sich nun also die bürgerliche Politik über die heutige Jugend empört und darüber schwadroniert, dass die jetzige junge Generation keinen „Anstand“ mehr hätte, und solidarisches Verhalten gegenüber den Alten und Schwachen in unserer Gesellschaft gegenüber nicht stattfindet, so liegt das mitnichten daran, dass die heutige Jugend als unsoziale Generation geboren wurde und besondere antisoziale Gene besitzt, sondern schlicht die Folge der unsolidarischen, antisozialen, sozialdarwinistischen Politik der bürgerlichen Parteien ist.

Gleichsam heißt das jedoch mitnichten, dass die heutige junge Generation insgesamt unsolidarisch sei. Dass dem nicht so ist, sieht man im alltäglichen Miteinander. Untereinander helfen sich die jugendlichen. In Gruppen organisiert achtet man aufeinander. Freilich nicht unter marxistischen Prinzipien und proletarischer Disziplin, aber solidarisch und aufeinander achtgebend. Haus- und Wohnprojekte, Küche-für-alle, Solifonds uvm. zeigen, dass sehr wohl Solidarität existiert.

Nein, die heutige Jugend ist lediglich unsolidarisch gegenüber der bürgerlichen Politik und ihren Appellen für das Überleben dieses System; gegenüber denen, die sie jahrzehntelang verraten haben und ihnen das genaue Gegenteil einflüsterten, was sie nun in einer 180-Grad-Wende einfordern. Die bürgerliche Politik merkt, dass sie jetzt Solidarität benötigt, weil sonst das gesamte System zusammenbricht. Einen neuen „Lockdown“ würde „die Wirtschaft“ nicht überleben, und so bedarf es der dringenden Bitte an die Jugend, sich doch endlich an die solidarischen Spielregeln zu halten. Aber nein: die Jugend traut der bürgerlichen Politik nicht mehr über den Weg, man ist jugendlich Dickköpfig denen gegenüber, die einem jahrzehntelang einredeten, wie man zu sein habe, aber jeder stets merkte, dass man so nicht sein möchte.

Oder anders ausgedrückt: der bürgerlichen Politik fliegt gerade ihr sozialdarwinistische Erziehung um die Ohren. Es ist der Tiefpunkt bürgerlicher Ideologie, die gerade ihren eigenen Untergang herbeiführt. Und so muss die bürgerliche Politik auf marxistische Begriffe zurückgreifen und damit schachern, um zu überleben. Jedoch: Solidarität lässt sich nicht einfordern, wenn man in der Praxis zuvor nicht bewiesen hat, dass man eben selbst zu jener Solidarität fähig ist. „Solidarität“ von CDU, SPD und co. bedeutet einzig Solidarität gegenüber dem Kapitalismus und der Marktwirtschaft. Bedeutet Solidarität gegenüber dem Sozialdarwinismus. Aber die Jugend spürt die Lüge, sie fühlt die Heuchelei. Und sie fällt nicht auf das widerwärtige Betteln der Ewiggestrigen herein.

Es ist die Aufgabe aller Marxisten nun voran zu schreiten und echte proletarische Solidarität (vor) zu leben. Glaubwürdig an der Solidarität festzuhalten, und theoretisch zu vermitteln, was Solidarität fernab des Kapitalismus bedeutet. Warum eine Klassensolidarität notwendig ist, und diese Solidarität die einzige nachhaltige Form des Miteinanders darstellt, indem die Ursache der Ungleichheit und Ausbeutung (das System, der Kapitalismus) angegangen wird. Bürgerliche Solidarität ist sinnentleert, zweckentfremdet und substanzlos – sie ist bürgerliche Propaganda. Solidarität ohne materielle Grundlage (also ohne Bezugnahme auf die Verhältnisse, ergo den Klassenkampf) ist Burgfrieden. Und Burgfrieden dient nur den Ausbeutern. Es sichert das Überleben des Imperialismus. Denn bei Corona säßen wir angeblich alle im selben Boot. Nur dass die einen Corona-isoliert in Privatjachten sitzen, und die anderen zu hundert auf Seeuntauglichen Kähnen das Mittelmeer überqueren müssen. Ehemals sagte Kaiser Wilhelm, dass er keine Parteien, sondern nur noch Deutsche kenne. Heute sagt Jens Spahn, dass Corona kein halt zwischen ‚oben‘ und ‚unten‘ mache. Im Zusammenhang zur Solidarität gilt folglich, was bei allen existierenden Dingen gilt: sie stehen niemals außerhalb der Klassenfrage.


„In der Klassengesellschaft lebt jeder Mensch in einer bestimmten Klassenlage, und es gibt keine Ideen, die nicht den Stempel einer Klasse trügen.“ (Mao, AW 1, Über die Praxis)


Wer also von Klassen und Klassenkampf nichts wissen will, hat über Solidarität zu schweigen.