Seit Jahren ist die deutsche Herrenfußballnationalelf auf dem Weg auf Talfahrt. Ein Debakel jagt seit dem Vorrundenaus bei der WM 2018 das nächste, dabei ist die DFB-Elf nach Marktwert immerhin noch mit 772,5 Millionen Euro die fünftwertvollste Nationalmannschaft der Welt, vor beispielsweise dem amtierenden Weltmeister Argentinien. Die meisten Spieler sind keine Weltspitze, besitzen aber zum Großteil noch internationale Klasse. Es liegt nahe, dass die Misserfolge der DFB-Elf auf eine schlechte Moral innerhalb der von Hansi Flick tranierten Mannschaft zurückführen sind. Schlechte Stimmung wurde in den letzten Jahren mehrmals öffentlich, und zwar des öfteren in Zusammenhang mit politischen Aktionen.
Auch wenn es nie anders war, dass der Profisport im Nationaldress der herrschenden Klasse im jeweiligen Land als Propagandamittel diente, lässt sich, was die DFB-Elf betrifft, eine klar zunehmende Tendenz erkennen. Im Mittelpunkt stand dabei häufig der (nach der WM 2022 nun entlassene) Geschäftsführer der Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff. 2018 gab es großen Wirbel um ein Foto der beiden türkisch-stämmigen Nationalspieler Mesut Özil und İlkay Gündoğan mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdoğan. Auch wenn Özil heute seine Gesinnung mit Graue-Wölfe-Tattoos relativ offen gemacht hat, war es damals lediglich ein harmloses Foto mit dem Regierungschef des Landes ihrer Familien, das eine massive chauvinistische Kampagne auslöste. Nach dem Ausscheiden bei der WM befeuerte Bierhoff den Worten „Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalmannschaft bislang noch nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen. Und insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet“, angeblich nur „sportlich“ gemeint, die Darstellung Özils als Sündenbock für die deutsche WM-Blamage.
Spätestens seit der EM 2020 (ausgetragen wegen Corona im Jahr 2021) ist offensichtlich, wie die Nationalmannschaft direkt als Schaufläche für die Interessen der deutschen Imperialisten genutzt wird. Damals hatten sich die Widersprüche mit dem Orban-Lakaien-Regime in der Halbkolonie und EU-Land Ungarn, das immer wieder Nähe zum russischen Imperialismus gezeigt hat, ein wenig zugespitzt, und der deutsche Imperialismus nutzte ein neues Gesetz in Ungarn zur Einschränkung der Informationsrechte von Jugendlichen zu „LGBTIQ*-Inhalten“ als Vorwand, sich in die inneren Angelegenheiten dieses immerhin souveränen Staates einzumischen. Komplementär zu den Versuchen, über die Europäische Union ein Rücknahme des Gesetzes zu erzwingen, wurden bei der EM Aktionen geplant, um die „Werte“ der Imperialisten zu demonstrieren.Die Bilder des speziell illuminierten Stadions waren damals vor dem Deutschland-Ungarn-Spiel in der Gruppenphase der Fußball-EM schon quer durchs Internet verbreitet worden, als die UEFA auf die Idee kam, sich tatsächlich an ihre eigenen Gesetze zu halten und die Propagandaaktion der BRD für die Durchsetzung ihrer Interessen innerhalb Europas, ausgeführt durch den DFB und die Stadt München, die den Antrag gestellt hatte, die Folienkissen der Fassade der Allianz-Arena in Regenbogenfarben zum Leuchten zu bringen, als „politischen Vorschlag“ verbot. Dass man sich an die Paragraphen hielt, stieß bei den Vertretern der deutschen Bourgeoisie, vom Bürgermeister Münchens und der damaligen Bundeskanzlerin Merkel über den „superkonservativen“ Markus Söder bis zu jetzigen Kanzler Olaf Scholzauf helle Empörung – man bedenke, während man sich über die fehlende Demokratie in Ungarn beschwerte. Die EU, geführt vom deutschen Imperialismus, wollte gegen das Gesetz von Orban vorgehen; EU-Komissionspräsidentin von der Leyen, Repräsentantin eines Staats, in dem z.B. Abtreibung im Wesentlichen noch verboten ist, aus einer Partei, die doch selbst bis zu ihrer Einführung 2017 teils vehement die Homo-Ehe bekämpft hat, sagte, diese „Schande“ widerspreche den Menschenrechten, und betonte, dass die EU „bei diesen Prinzipien keine Kompromisse macht“. Als Unterstützung für den Eingriff in die Souveränität Ungarns schlossen sich unzähligeVereine, Organisationen,Unternehmen, so viele, die – genau wie einige bürgerliche Parteien – bis vor ein paar Jahren mal so gar nicht regenbogenmäßig unterwegs waren, bereitwillig der Kampagne des deutschenImperialismusfür die Stärkung seiner Hegemonie in der EU und gegen den Einfluss des russischen Imperialismus in EU-Staaten an und tauchten ihre Logos in Regenbogenfarben, hängten Flaggen auf etc. Auch hier war der DFB – insbesondere mit der geplanten Aktion für die Allianz-Arena – ganz vorne mit dabei. Vor Spielbeginn buhten die preußischen Untertanen auf den Rängen, die sich offensichtlich gar nicht mehr so demütig verhalten mussten wie einst in Bern 1954, die Ungarn bei ihrer Nationalhymne aus. Ein Abend voller Chauvinismus unterm Regenbogen fand seinen Höhepunkt, als eine Hundertschaft der Polizei in der zweiten Halbzeit plötzlich vor die ungarische Fankurve vorrückte; angeblich, um einen Platzsturm zu verhindern, aber symbolträchtig für den Umgang des deutschen Imperialismus mit Ungarn in diesem Moment. Die Dreistigkeit trieb ein Münchener Polizist dann auf die Spitze, als er, als die DFB-Elf gerade bei einer Ecke Zeit schindete, einem ungarischen Spieler den Ball, den er gerade holen wollte, mit der Hacke wegkickte. Auch Leon Goretzkas Torjubel im Anschluss war ein „Seitenhieb“ auf Ungarn. Mit diesen Aktionen überschritten der DFB und der deutsche Imperialismus auch das Maß der anderen „westlichen“ Imperialisten, deren Teams sich bei der EM lediglich regelmäßig vor Spielbeginn hinknieten, um ein großartiges „Zeichen gegen Rassismus“ zu setzen, was grundlegend als Provokation gegen den russischen Imperialismus gedacht war.
Der DFB setzte seine Strategie im darauffolgenden großen Turnier, der WM in Katar Ende 2022, fort. Waren in Katar nach unterschiedlichen bürgerlichen Schätzungen, unter anderem durch die Beteiligung von deutschem Kapital, bis zu 15.000 Gastarbeiter für den Bau der Stadien ums Leben gekommen, war es dem DFB und auch der Presse zuerst besonders wichtig, über die Rechte der Homosexuellen in Katar zu reden. Die Spieler sollten im Zuge des „Protests“ eine „One-Love“-Regenbogen-Armbinde tragen, „um sich gegen Ausgrenzung von LGBTQ+ Menschen, aber auch gegen Rassismus und Antisemitismus zu wenden“. Innenministerin Faeser, die nach Katar reiste, ZDF- und RTL-Moderatorinnen trugen die Binde, große Unternehmen wie REWE machten sich ausdrücklich dafür stark. Die Binde wurde bei der WM ein kleines Symbol des deutschen Imperialismus, seiner „wertegeleiteten Außenpolitik“, seiner ökonomischen Ansprüche auf dem Globus. Zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel wurde durch die FIFA ausdrücklich daran erinnert, dass das Tragen untersagt ist, woraufhin der DFB beim Mannschaftsfoto vor dem ersten Spiel die Spieler anwies, eine Mund-zu-Geste zu machen. Initiator vor der Mannschaft war hier wieder Oliver Bierhoff, der als beruflicher Lobbyist sicherlich auch ein gutes Händchen dafür hatte, die Anweisungen der bürgerlichen Politiker im DFB zu verbreiten. Die Mannschaft jedoch schien von den Maßnahmen nicht so begeistert, lediglich Manuel Neuer und Leon Goretzka unterstützten die Pläne zu einer Protestaktion. Die absolute Mehrheit „wollte gar nichts machen und war nicht mehr so gut auf Oliver Bierhoff zu sprechen beziehungsweise auf den gesamten Stab, der bei der Aktion mitgewirkt hat, mit der Mannschaft gesprochen hat, das erarbeitet hat. Sie wollten sich aufs Sportliche konzentrieren“. Sogar Coach Flick hört man im Trailer einer im September kommenden Dokuserie zum Katar-Abenteuer des DFB verärgert sagen: „Wir haben nur über Politik gesprochen.“
Der Länderspiel-Sommer brachte den DFB-Frauen das WM-Vorrundenaus, den Herren eine Menge Niederlagen und das 1000. Länderspiel, das als Benefizspiel gegen die Ukraine „ein klares Zeichen für Frieden und Völkerverständigung und gegen Krieg und Zerstörung“ ( ~ DFB-Präsident Bernd Neuendorf – der übrigens bereits Parteivorstandsprecher der SPD in Berlin und ihr Pressesprecher in Nordrhein-Westfalen war) setzen sollte. Vor den Augen von unter anderem Bundespräsident Steinmeier und dem ukrainischen Botschafter Makejew gab es in Bremen ein lasches 3:3, das fast den Eindruck von „im Vorhinein geplant“ hinterließ. Unterm Strich zeigt sich in den vergangenen Jahren, wie die Ausnutzung der Nationalmannschaft als Schaufläche für die Interessen des deutschen Imperialismus mit den Interessen der Profifußballer, die in erster Linie ihr Geld und persönlichen Erfolg haben wollen und nun immer mehr von oben diktierte Botschaften vermitteln sollen, kollidiert. Der imperialistische Chauvinismus, der auch durch den DFB angeheizt wird, behindert auch die Einheit in der Mannschaft und kann den DFB, wie schon bei Özil, wertvolle Spieler mit ausländischen Wurzeln wie Leroy Sane, Jamal Musiala oder Emre Can kosten. Das sind alles Auswirkungen der imperialistischen Propaganda durch den DFB, und es ist insofern natürlich für die Revolutionäre erfreulich, dass er sich damit selbst ein bisschen in den Schwanz beißt und die imperialistisch-chauvinistische Propaganda des Nationalsports aufgrund der Erfolglosigkeit der Sportler viel weniger bei den Massen ankommt.
Auch abseits des Fußballs werden Profisportler für die Propaganda genutzt, oder tun es manchmal auch ganz freiwillig. Der chauvinistische Auftritt von Olympia-Eiskunstlauf-Siegerin und Bundespolizistin Claudia Pechstein auf dem CDU-Grundsatzkonvent, wo sie die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber mit Argumenten wie, dass alte Menschen nicht mehr „die öffentlich-rechtlichen Verkehrsmittel nutzen können, ohne ängstliche Blicke nach links und rechts werfen zu müssen“, forderte und nebenbei die Neutralitätspflicht als Beamtin verletzte, steht ganz im Lichte der Reaktionarisierung des Staates als Reaktion der Bourgeoisie auf die sich verschärfende Krise, insbesondere der Adaption vieler Forderungen der AfD, und wurde deshalb nicht umsonst gerade von Friedrich Merz so gelobt.