6 ½ Jahre ist der G20-Gipfel in Hamburg nun her, doch immer noch hat er seine Nachwirkungen. So beginnt in der nächsten Woche, am 18. Januar, nach über einem halben Jahrzehnt der dritte Prozess im sogenannten „Rondenbarg-Komplex“ gegen sechs angeklagte Demonstranten. Die Staatsanwaltschaft Hamburg wirft den Angeklagten besonders schweren Landfriedensbruch, tätlichen Angriff, versuchte gefährliche Körperverletzung, Bildung einer bewaffneten Gruppe und Sachbeschädigung vor. Dabei kann den Angeklagten keinerlei individuelle Schuld nachgewiesen werden.

Schauen wir zunächst zurück auf den Vorfall im Sommer 2017. Gegen 6:30 Uhr marschierte am 07. Juli 2017 ein Demonstrationszug von geschätzten 200 Personen durch den Hamburger Ortsteil Langenfelde. Auf der Straße Rondenbarg stoppten kampfbereite Polizeieinheiten den Demozug und griffen ihn auf brutale Art und Weise von vorne und hinten an. Als einige Demonstranten versuchten der Situation zu entfliehen, sprangen sie notgedrungen über ein Geländer auf einen ca. zwei Meter tiefer liegenden Parkplatz. Dadurch das die Polizei die Menge aber immer weiter zusammendrängte und die Demonstranten in Richtung des Geländers drückte brach es ab und zahlreiche Demonstranten fielen zwei Meter in die Tiefe auf eine Leitplanke. 14 Personen wurden dabei schwer verletzt und mussten, teilweise mit offenen Brüchen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die restlichen am Ort verliebenden Personen wurden von der Polizei festgenommen.

Hamburg Gerichtsverfahren im Nachgang des G20 Gipfel greift Versammlungsrecht an 2

Polizeiaufnahmen der Demo am Rondenbarg am 07. Juli 2017 (Quelle: Youtube)

Aufgrund dieses Vorfalls, der von massiver Polizeigewalt gezeichnet war, stehen die sechs Demonstranten nun vor Gericht. Und das, obwohl den Angeklagten, wie schon gesagt, keine individuelle Schuld nachgewiesen werden kann. Die Staatsanwaltschaft Hamburg probiert es noch nicht mal den Angeklagten eine individuelle Schuld zuzuweisen und schlägt einen anderen Weg ein. So versucht die Staatsanwaltschaft Hamburg auf Grundlage eines Urteils des Bundesgerichtshof (BGH) vom 24. Mai 2017 die Rechtsprechung zu ändern, sodass keine individuelle Schuld mehr nachgewiesen werden muss. Bei dem Urteil des BGH ging es um eine Schlägerei unter Fußball-Hooligans, mit dem entschieden wurde, das allein das „ostentative Mitmarschieren“ zu einer geplanten Schlägerei ausreichend dafür sei, wegen Landfriedensbruch angeklagt zu werden, auch ohne direkt an der Schlägerei teilgenommen zu haben. Angewandt auf den sogenannten Rondenbarg-Komplex versucht die Staatsanwaltschaft Hamburg also, allen die zum „Tatzeitpunkt“ am Ort des Geschehens waren „psychische Beihilfe“ und „den Schutz der Gruppe“ nachzuweisen und damit zur Tat beigetragen zu haben. In beiden Fällen werden so Kollektivstrafen verhängt, aber dennoch gibt es auf rechtlicher Ebene einen gravierenden Unterschied zwischen der Hooligan-Schlägerei und dem sogenannten Rondenbarg-Komplex. Denn Demonstrationen sind im Gegensatz zu Verabredungen um einander auf die Nase zu hauen durch das Versammlungsrecht geschützt. Dieses Problem hat auch die Staatsanwaltschaft Hamburg registriert, was sie dazu treibt mit aller Bemühung zu negieren, das es sich bei der Demo am Rondenbarg um eine Demonstration handelte. So sei die dunkle Kleidung, die von den Demonstranten getragen worden sein soll, ein Beweis dafür, dass es nur darum ging, um als Gruppe Straftaten zu begehen.

Das kommende Verfahren ist also ein weiterer von vielen Angriffen auf das Versammlungsrecht, der vom imperialistischen deutschen Staat in den vergangenen Jahren gestartet wurde. Vom Ausnahmezustand mit harten Einschränkungen des Versammlungsrechts während der Corona-Pandemie, über die reaktionären Versammlungsgesetze der Bundesländer wie in Nordrhein-Westfalen, bis hin zu den derzeitigen massiven Versammlungsverboten und chauvinistischen Auflagen gegen Pro-Palästina Protest, die besonders auch in Hamburg auf der Tagesordnung standen und stehen. Auch Juristen sehen im kommenden Verfahren rund um den sogenannten Rondenbarg-Komplex eine politische Dimension. Der Strafverteidiger Ulrich von Klinggräff, der die Angeklagten im kommenden Prozess verteidigen wird sagte: „Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat sich an ihrem Vorhaben festgebissen, die Axt an das Demonstrationsrecht anzulegen. Das ist ihre politische Intention.“