Der Nah- und Fernverkehr ist eine der wichtigsten Branchen für die deutsche Wirtschaft. So müssen täglich fast 14 Millionen Menschen in einen anderen Teil des Landes pendeln, um dort von der Bourgeoisie ausgebeutet zu werden. Über die Schienen und Autobahnen werden massenhaft Waren von einem Ort zum Andern transportiert. Die Bourgeoisie ist daher abhängig von einem möglichst reibungslosen Verkehrsablauf. Dies zeigt sich auch an den über 9 Millonen Erwerbstätigen innerhalb der Verkehrsbranche. Von den ca. 48 Milliarden Euro Umsatz, den alleine die Deutsche Bahn 2022 verzeichnete, sehen die Arbeiter jedoch nichts. Sie leiden an der Inflation und den Teuerungen.

Daher kam es in letzter Zeit immer wieder in vielen deutschen Städten zu Streiks und Ausfällen des Verkehrs. So streikten beispielsweise Anfang März die Mitarbeiter der Münchener U-Bahn. In Bremen fuhren am 3. März keine Busse und Bahnen. Und im Februar und März kam es in Hannover und Bremen zu mehreren Flugstopps aufgrund der Warnstreiks.

Doch nun haben die Gewerkschaften Verdi und EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) die Streiks für einen Tag auf das gesamte Land ausgeweitet. Sie fordern in den Tarifverhandlungen mit den Bahnunternehmen bzw. Bund und Ländern eine Lohnsteigerung von 12 Prozent. Dies betrifft laut EVG 180.000 Beschäftigte der DB. Schon zuvor konnten die Briefträger unter Androhung von Streiks eine durchschnittliche Lohnsteigerung von 11,5 Prozent erkämpfen.

Diese Forderungen sind jedoch zu gering, wenn man bedenkt, dass die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke seit Februar 2022, laut Statista, um 20,7 Prozent gestiegen sind. Für Strom und Gas haben sich die Preise gegenüber des Vorjahresmonats sogar um 32,2 Prozent gesteigert. Dagegen wirken die 12 Prozent mickrig, und sie können die Preissteigerungen nicht ausgleichen.

Der Deutschen Bahn ist selbst diese Forderung zu viel; sie bieten bis August 2024 lediglich eine stufenweise Steigerung von 5 Prozent und eine Prämie von 2.500 Euro. Dennoch ist die Zunahme von Streiks ein positives Zeichen, denn es zeigt ein steigendes Selbstvertrauen der Arbeiter.

Neben den zu geringen Forderungen im Inflationsausgleich zeigt sich ein allgemeines Problem in dem deutschen Streikrecht. So ist es in Deutschland zwar erlaubt, zu streiken, jedoch nur, wenn der Streik von einer Gewerkschaft ausgerufen wurde. Alle anderen Streiks werden als wilde Streiks bezeichnet und sind verboten; den Teilnehmern eines wilden Streiks wird fristlos gekündigt. Dass die Gewerkschaftsbosse jedoch die Arbeiter gar nicht vertreten können, wird klar, wenn man sich ihre Gehälter anguckt, die oftmals zwischen 100 und 200 Tausend Euro liegen. So entstehen dann auch die viel zu geringen Tarifvorschläge.

Außerdem kann in Deutschland per Gesetz bei einem Streik nur über den Inhalt eines Tarifvertrags mit der Bourgeoisie verhandelt werden. Für politische Ziele zu streiken, ist verboten. Es kann also ähnlich wie bei den Wahlen nur über die Konditionen, unter denen ausgebeutet wird, entschieden werden, nicht jedoch gegen die Ausbeutung im Allgemeinen.