Am Mittwoch den 30.11. wurde ein Antrag mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU angenommen. AfD und Linke enthielten sich. Nach der Erklärung des Bundestags entscheidet dieser, den sogenannten „Holodomor“ (Tod durch Hunger) als Völkermord Stalins gegen die ukrainische Bevölkerung einzustufen. Gemeint ist mit diesem Begriff die Hungersnot, die zu Beginn der 1930er Jahre in Teilen der Sowjetunion herrschte und die von einigen bürgerlichen „Historikern“ immer wieder entweder als gezielte Vernichtung der ukrainischen Bevölkerung oder wenigstens als notwendige Konsequenz einer angeblich rücksichtslos durchgeführten Kollektivierung der Landwirtschaft dargestellt wird.

In beiden Fällen hat das wenig mit der Realität zu tun und wer sich ernsthaft mit der sowjetischen Geschichte auseinandersetzt, wird schnell herausfinden, dass die Geschichte vom „Hunger-Genozid“ in allererster Linie auf den Lügen ukrainischer Nazikollaborateure und anderer Reaktionäre wie dem britischen Geheimdienstmitarbeiter Robert Conquest beruht. Conquests Werk „Harvest of Sorrow“ wird von Historikern dabei im Allgemeinen als unwissenschaftlich und seine Kernthese als absurd verworfen. Es gibt zwar durchaus Streit darüber, wie stark der Einfluss menschlichen Handelns auf das Ausmaß der Hungersnot war, als Völkermörd klassifiziert wird sie im Allgemeinen jedoch nicht.

Der Bundestag stört sich indes nicht daran, dass es unter Historikern keinesfalls gängig ist, die Hungersnot in der Ukraine als Völkermord zu klassifizieren. Auch eine ganze Reihe bürgerlicher Staaten lehnt diese Definition ab, darunter beispielsweise Israel, das darin eine Relativierung der Verbrechen des Hitlerfaschismus sieht. Ganz ohne die Einbindung wissenschaftlicher Mitarbeiter hat der Bundestag jedoch in einer Blitzdebatte festgelegt, dass der „Holodomor“ als Genozid zu klassifizieren sei. Das führt selbst bei Antikommunisten wie der BZ oder der Neuen Zürcher Zeitung zu Empörung.

So schreibt beispielsweise die Neue Zürcher Zeitung „So wichtig Antworten auf diese Fragen sind, so sollten sie doch von Historikern gegeben werden und nicht von gewählten Volksvertretern. Sie überschreiten sonst ihre Kompetenz. Außerdem stellen sie das erinnerungspolitische Verfahren auf den Kopf. Denn zunächst sollte sich in der Wissenschaft ein Konsens herausgebildet haben, sollte es eine öffentliche Debatte gegeben haben. So aber verordnet das Parlament Erinnerungspolitik von oben herab – und das bei umstrittener Faktenlage.“

Die Berliner Zeitung äußert sich wie folgt: „Kein Deutscher Bundestag hat bisher die Blockade Leningrads durch die Wehrmacht als Genozid anerkannt; dort war der Tod der Millionenbevölkerung durch Aushungern klar beabsichtigt. Kein Bundestag erkannte die genozidale Absicht der Niederschlagung des Warschauer Aufstands an. Nicht einmal der Völkermord an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika bekam die Anerkennung durch den Bundestag. Warum nicht? Solche Beschlüsse zögen Entschädigungsforderungen nach sich. Vor dem durch Deutschland verursachten Unheil stehlen sich die Abgeordneten schlanken Fußes aus der Geschichte, sie beugen sich ukrainischem Druck. Doch historische Fakten je nach politischer Opportunität zu drehen, ist ein Merkmal von Diktaturen.“

Diese Definition wird ganz in der Tradition der deutschen Regierung auch genutzt für die Mobilmachung gegen Russland, das eine Klassifikation der Hungersnot als Genozid ebenfalls ablehnt. Wie in den vergangenen Monaten immer wieder, nutzen die deutschen Imperialisten antikommunistische Stereotype, um den russischen Imperialismus zu diskreditieren.

Relevant ist dieser Beschluss allerdings auch für die revolutionäre Bewegung. Denn mit einer kürzlich auf den Weg gebrachten Verschärfung des Volksverhetzungsparagraphen 130 wird die Leugnung von Kriegsverbrechen oder Völkermorden verschärft bestraft. Die Verteidigung von Genosse Stalin, unter dessen Führung der Sozialismus in der Sowjetunion aufgebaut und der Hunger beendet wurde, der vor der Oktoberrevolution wieder und wieder unzählige Menschenleben forderte, wird somit unter Strafe gestellt.