Wenn wichtige Vertreter der deutschen Bourgeoisie sich in der Presse zu Wort melden, sollte man aufmerksam zuhören. Haben neulich schon Porsche und Piech in der Bild auf den Tisch gehauen, wenngleich in sehr diplomatischem Tonfall, wendet sich nun ein anderer VW-Bonze, nämlich Matthias Müller an die Springer Presse. Er schrieb einen Meinungs-Artikel für die Welt.

Hier ein längerer Ausschnitt aus dem Text vom 23.03.2020:
„Wenn sich diese Teile unserer Gesellschaft in geradezu kindlicher Art und Weise von exponentiell gefährlich werdender Wahrheit (ausgesprochen zum Beispiel täglich vom Robert-Koch-Institut) und den sich daraus ergebenden Notwendigkeiten widersetzen und – man mag es kaum glauben – Corona-Partys feiern und Supermärkte leer kaufen, als gäbe es kein Morgen, oder einfach so tun, als gäbe es das Virus nicht, kommt das föderale System an seine Grenzen.
Spätestens dann bedarf es bundesweiter, einheitlicher und verantwortungsbereiter Führung, die den Willen hat, eine der Situation entsprechende Lösung durchzusetzen. Jetzt wird erschreckend klar, dass liberaler Föderalismus nur mit mündigen Bürgern funktionieren kann.
Wie immer man diese Krise einordnet und was immer sie nachhaltig zur Folge haben wird: So geht es nicht weiter! Wir werden unsere Einstellung gravierend ändern müssen, wenn wir als gesellschaftliche Folge der Pandemie nicht dauerhaft die Errungenschaften einer liberalen Gesellschaft und einer sozialliberalen Marktwirtschaft verlieren wollen. Unsere Republik und ihre Bürger müssen sich rückbesinnen auf das, was Demokratie und Meinungsfreiheit zuallererst bedeutet: mündig sein – also Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen. Und da reicht es eben nicht, kritiklos und/oder aus Enttäuschung Grün oder gar rechtsaußen zu wählen.
Wenn wir das nicht endlich (!) begreifen, wird unsere Republik nach Corona wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell anders sein als heute, und dann waren alle Mühen der Nachkriegsgeneration, der wir das heute Erreichte verdanken, umsonst.“


Die sich „kindlich“ verhaltenden Untertanen sollen sich endlich wie „mündige Bürger“ benehmen! Es ist ganz ähnlich wie die Aufforderung von Lehrern, man solle doch mal vernünftig sein. Diese erregt seit je her misstrauen bei Schülern, die ahnen, dass diese Vernunft keine allgemein menschliche, oder gar eine den eigenen Zwecken gemäße ist, sondern eine Vernunft gemäß den Zwecken eben jener Autorität mit der man es gerade zu tun hat. Damals der Lehrer, hier ein Finanzbonze.
Mündigkeit wie sie dem Herrn Müller, und im übrigen auch dem alten Königsberger Klops Kant vorschwebt, ist die freiwillige Unterwerfung unter die Herrschaft der Bourgeoisie. Die bürgerliche Vernunft heißt, dass jeder sich die Ansprüche die der Staat an ihn stellt, zu eigen machen soll, und sich in seiner Abhängigkeit von Staat und Kapital als seine eigenen Interessen anerkennen soll.
Wenn der stille Zwang der Verhältnisse die Untertanen nicht zu solch einer Mündigkeit motiviert, dann braucht es halt ein bisschen mehr offene Gewalt. Herr Müller spricht vom Verlust der „liberalen Gesellschaft“ und der „sozialliberalen Marktwirtschaft“, aber spricht nicht aus, was stattdessen kommen soll. Doch mit dem Verweis auf die Nachkriegsgeneration fällt wohl bei jedem der Groschen. Hier wird gerade öffentlich mit der Wiedereinführung des Faschismus gedroht. Man mag sich jetzt fragen, warum Herr Müller im Unterschied zu Herrn Lindner denn meint, dass auch nach der Corona-Epidemie der Ausnahmezustand notwendig bleibt. Seine Antwort ist erschreckend ehrlich: "Die nächste Krise kommt bestimmt."

Damit stellt er nicht nur klar, dass die kapitalistische Ökonomie notwendig krisenhaft ist, sondern gibt auch die strategische Notwendigkeit der Militarisierung und Zentralisierung der Staatsgewalt für die deutsche Bourgeoisie zu.
Gleichzeitig wird von ihm auch nochmal klar gestellt, was der Kern der demokratisch-liberalen Form der Diktatur der Bourgeoisie ist: „Unsere Republik und ihre Bürger müssen sich rückbesinnen auf das, was Demokratie und Meinungsfreiheit zuallererst bedeutet: mündig sein – also Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen.“ Demokratie ist, wenn man uns an der langen Leine lässt, weil wir brave Hunde sind.