Das Kreuzberger Bezirksamt wurde vor kurzem zur Zielscheibe eines Shitstorms in Social Media. Was ist geschehen, sind einige Einwohner über Schikanen durch die Behörden in Wut geraten? Weit gefehlt, Stein des Anstoßes war eine Werbung für ein örtliches Museum. In diesem finden regelmäßig Kunstworkshops statt, in denen man eigene Protestplakate gestalten kann. Diese Werbeaktion wurde mit einem Produkt des Workshops bebildert. Ein schmuckloses Plakat auf dem ein kleiner roter Ritter gegen einen großen Zylindermann kämpft. Im Hintergrund sieht man Hochhäuser, unten die Parole „Kämpft gegen die Gier!“ Ein Plakat gegen Wuchermieten und Gentrifizierung offensichtlich. Es soll von einem 14 Jährigen Schüler gestaltet worden sein, Hut ab.

Man fragt sich wo das Problem ist. Dass einen die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung in Berlin in Lebenskrisen stürzen kann, ist inzwischen auch weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt. Dass ein Bezirksamt Werbung mit Gentrifizierungskritik macht, ist natürlich eine ziemliche Posse, aber darauf soll nicht weiter abgehoben werden. Linker Reformismus kombiniert mit Verbalradikalismus ist halt was Kreuzberg gerade ausmacht. Woran sich die Kommentatoren stören, ist angeblich nicht die Kritik an den Berliner Mieten, sondern das Design des Plakates. Man wittert Parteienkommunismus, ja sogar Faschismus. Es sei „Hetzpropaganda aus finstersten Zeiten“. Wer Vermieter kritisiere, der „bespiele Ressentiments“, so der schlaue Presse-Schreiberling weiter. KPD, NSDAP, whatthefucké. Der Leser soll sich selbst aussuchen, was ihn am meisten abschreckt, das Gespenst des Kommunismus oder doch die deutschen Faschisten. Was letztere mit Mietkämpfen zu tun haben sollen, bleibt ein Geheimnis. Aber für manch einen Twitterer ist klar, hätte der Zylindermann nur eine größere Nase, dann wäre die eigentliche Botschaft des Plakats klarer, nämlich Antisemitismus. Im Gegensatz zu dem Plakat ruft diese Denkweise wirklich antisemitische Stereotype ab – Kapitalisten seien Juden und die Kritik an ihnen Antisemitismus. Was am Ende jedenfalls alle Kritiker klarstellen wollen, Kämpfe gegen Vermieter sind eine extrem gemeine Sache. Was stimmt ist, dass die Farbgebung des Plakats an politische Plakate der Weimarer Republik erinnert und durch die Parole insbesondere an die KPD. Allerdings hätte die KPD keine so moralische Parole ausgegeben und der Widerstand des roten Männchens wäre kollektiver ausgefallen. Denn der Kampf gegen ein System in der die Mehrheit kaum das Nötigste zum Leben hat, ist ein Klassenkampf unter Führung der Arbeiterklasse. Ein Kampf der alle moralischen Appelle „gegen die Gier“ überflüssig macht, weil er alle Ausbeutungsverhältnisse beseitigt. Es ist der Kampf für den Kommunismus.

„Ressentiment“ und das verleumden Kapitalismuskritik als Judenfeindschaft kennt man doch schon irgendwoher, und zwar von den sogenannten Antideutschen. Ihre antimarxistische Saat sprießt jetzt bis in den dummbürgerlichen Mainstream. Für das gegenwärtige Bestreben des deutschen Imperialismus sich zu einer Supermacht zu entwickeln treten seine Antideutschen Unterstützer als vermeintlich linke Kronzeugen auf. Sie rechtfertigen die imperialistischen Kriege und dämonisieren die Hoffnung in den Massen, dass die Kommunistische Partei rekonstituiert wird. Wieder einmal zeigt sich, dass die Revisionisten die Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung sind, dass sie die Interessen der Bourgeoisie bedienen. Um den Wahnsinn perfekt zu machen, hat ein CDU-Abgeordneter nun das Bezirksamt angezeigt, wegen Volksverhetzung.

Bei so viel saturierter Schäbigkeit bekommt man glatt Lust, dieses Plakat überall in Kreuzberg aufzuhängen.