Nachdem - wie wir bereits berichteten - am Dienstag, den 4. August, in der libanesischen Hauptstadt Beirut bei einer Explosion mehr als 150 Menschen starben und über 5000 Personen verletzt wurden, besuchte Frankreichs Präsident Macron als erster das Land. Er versprach große finanzielle Unterstützung. Aber nicht ohne Gegenleistung. Macron sei verpflichtet, den Menschen im Libanon zu helfen, es sei eine historische Verantwortung. Dazu diktiert er, was er von der libanesischen Regierung fordert: Es müsse ein genereller politischer Wandel her. Dazu müsse die Regierung die Korruption bekämpfen. Eine Energiereform durchsetzen sowie den Mangel der Transparenz im Bankensystem bekämpfen. Frankreich stehe immer Seite an Seite mit dem Libanon, lässt er dazu verlauten.

 

Dieses Verhalten von Macron kommt nicht von ungefähr. Frankreich pflegt nämlich nicht erst seit gestern wirtschaftliche Beziehungen mit dem Libanon, und mit „Seite an Seite“ ist wohl eher die lange Kolonialgeschichte Frankreichs im Libanon gemeint, die an dieser Stelle kurz angerissen werden soll:

Im 16. Jahrhundert gab es im Libanon und seinen Nachbarländern einen wirtschaftlichen Aufschwung, an dem auch europäische Länder, vor allem England und Frankreich interessiert waren. Frankreich unterstützte dabei die christlich-katholische Bevölkerung, die Maroniten, die auch bis heute eine große Religionsgemeinschaft im Libanon sind. Um mehr Einfluss zu generieren sponnen England und Frankreich Intrigen, was zu Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Konfessionen führte.

Immer wieder kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Drusen, die von den Osmanen unterstützt wurden, und den Maroniten. 1860 kam es dann zu einem Bürgerkrieg zwischen den Maroniten und Drusen im Libanongebirge, der sich gegen den Feudalismus richtete. Viele Maroniten waren Bauern und die Drusen waren in der Regel die Feudalherren. In diesem Krieg wurden Tausende von Maroniten ermordet, bis Frankreich sich einmischte und ein christliches Autonomiegebiet durchsetzte.

Die europäischen Mächte sollten auch nach der Beendigung des Krieges weiter Macht auf heutigen libanesischen Territorium behalten. So hat Beirut z. B. bis heute einen großen Einfluss französischer Kultur. Während der Libanon dann im 1. Weltkrieg unter osmanischer und deutscher Besatzung stand, wurde nach 1920 Frankreich das Völkerbundmandat für Syrien und den Libanon erteilt und legte in dieser Zeit auch das heutige Territorium sowie eine neue Verfassung fest. Unter anderem bildete Charles de Gaulle libanesische Offiziere aus, die Frankreich im 2. Weltkrieg unterstützen sollten. Diese Einheiten kämpften z.B. in Libyen gegen die deutschen und italienischen Soldaten.

Bereits Ende 1941 kündigte Frankreich die Unabhängigkeit des Libanons an, zwei Jahre später fanden die ersten Wahlen statt und und die libanesische Regierung löste das französische Mandat selbstständig auf. Dennoch wurden die letzten französischen Truppen erst 1946 abgezogen. Im Zuge des UNIFIL-Mandats (United Nations Interim Force in Lebanon) wurden erneut französische Blauhelm-Soldaten zusammen mit anderen UNO-Ländern im Libanon stationiert, um ursprünglich den Abzug israelischer Truppen zu überwachen, weiter sollten sie jedoch auch angeblich für eine politische Stabilität einer souveränen libanesischen Regierung sorgen.

Was früher versteckt gemacht wurde, stellt Macron nun offensichtlich dar. Vor protestierenden Menschen stellt er sich vor die Kamera und stellt finanzielle Hilfen in Ausschau. Jedoch nur, wenn die libanesische Regierung seinen Regeln folgt. Macron versucht wie ein Kolonialherr einer souveränen Regierung zu diktieren, was sie zu tun hat. Sein Versuch, innerhalb des Libanons den Einfluss des französischen Imperialismus zu verstärken ist so offensichtlich und nicht zu leugnen. Auch wenn Macron in seinen schönen Reden immer wieder betont, dass er es für das libanesische Volk tun würde, sind dies nur leere Worte und er träumt davon, wie einst wieder Macht in Westasien zu erlangen.