Bis in die späten 1960er-Jahre existierte das Genre Rock in der Bundesrepublik nur als „Import“ und Übernahme der Musik aus dem Vereinigten Königreich und den USA; gesungen wurde lediglich englisch. Das änderte sich durch die "68er-Bewegung", die auf allen Ebenen der Kultur den Abdruck ihrer Linken, ihrer fortschrittlichen politischen Elemente, und ihrer Rechten, den im Gegensatz dazu entstandenen Hippie- und in Drogenexzessen degenerierenden Elementen, hinterließ.

In diesem Sinne entstanden Anfang der 70er die Strömungen der politischen deutschen Rockmusik und des „Krautrocks“ (etwas wie der deutsche Psychedelic Rock) – beide etwas neues, doch das eine fortschrittlich, und das andere schon verfault geboren und lediglich einige progressive Elemente enthaltend (besonders in der Form), die die Linke der Bewegung hervorgebracht hatte.

Wie auch in den USA waren Festivals wichtige Marksteine für die Entstehung der Strömungen. Die Internationalen Essener Songtage fanden 1968 statt, die oft als „Geburtsstunde des Deutschrocks“ bezeichnet werden. Hier zeichnet sich bereits die Teilung in zwei Strömungen ab – die Organisatoren waren z.B. unter anderem Rolf-Ulrich Kaiser, der neben seinen Drogenexzessen schnell als Profiteur der neu aufkommenden Musik in Erscheinung trat, Henryk M. Broder, der schon damals eine degenerierte Figur war und unter anderem Pop, Politik und Pornographie miteinander verbinden wollte, der Krautrock-Sänger Bernd Witthüser (Witthüser & Westrupp), und auf der anderen Seite die Familie des politischen Liedermachers Franz Josef Degenhardt („Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ / „Befragung eines Kriegsdienstverweigerers“).

 

Ein anderes Festival war das „Love-and-Peace-Festival 1970“ auf Fehmarn. Dort hatte die Band „Rote Steine“ ihren ersten Auftritt und stahlen unter anderem dem großen Jimi Hendrix die Show. Ihr Sänger, Rio Reiser, soll das Publikum aufgefordert haben, den Veranstalter „ungespitzt in den Boden zu hauen“. Nach dem dritten Lied – Macht kaputt, was euch kaputt macht – fackelten Besucher das Organisationsbüro des Festivals ab, nach dem fünften Song brannte die Bühne ab. Auch wenn es sich offensichtlich um Anarchos handelte, repräsentierte die Berliner Band, die sich im Folgenden „Ton Steine Scherben“ nannte, die Linke innerhalb des aufkommenden Deutschrocks. Ihre Lieder standen auf dem Index und durften im Radio nicht gespielt werden; die ersten beiden Alben hießen „Warum geht es mit so dreckig?“ und „Keine Macht für niemand“. Die Lieder waren in der Anfangszeit trotz vieler falscher politischer Ansichten kämpferisch und mitreißend. Die „Scherben“ hatten fünf gute Jahre, in die die ersten beiden Alben fallen, die mit initiierte Besetzung des „Georg-von Rauch-Hauses“ (nach der Ermordung des Namensgebers durch die Polizei; nach der Räumung des Gebäudes entstand der „Rauch-Haus-Song“) im ehemaligen Bethanienkrankenhaus in Berlin-Kreuzberg, wo sie nicht unwesentlich am Anwachsen autonomen Szene im Kiezbeteiligt waren, und ein denkwürdiger Auftritt des „Managers“ Nikel Pallat in einer WDR-Talkshow, wo er die kommerzielle Ausnutzung der neuen Musik durch Rolf-Ulrich Kaiser und Peter Meise kritisierte und anschließend mit einer Axt einen Tisch zerstören wollte.

 

1975 kapitulierte die Band als „Sprachrohr der Bewegung“ und zog sich aufs Land zurück. Die Lieder wurden „sanfter“, unpolitischer, wirrer und individualistischer. 1985 löste sich die Band auf – man ging seine Wege, Rio Reiser wurde kurzzeitig noch der Pop-König von Deutschland, die 1982 dazugestoßene Co-Managerin Claudia Roth hingegen trat in die Reihen des deutschen Imperialismus ein.Deutschsprachige Popmusik war zu diesem Zeitpunkt aber längst etabliert; dafür hatte die politische Rockmusik einerseits direkt die Grundlage gelegt, andererseits durch ihren Einfluss auf die fortschrittlichen Elemente im Bereich Schlager, wie Juliane Werding oder Gunter Gabriel. Die Entstehung insbesondere des „Deutschrocks“ zeigt, dass jede neue Kultur ihre Quelle im Volk hat, und dass die Bourgeoisie nichts neues hervorbringt, sondern lediglich übernimmt. Denn für alles, was im deutschsprachigen Rock danach kam, wurde durch die politischen Lieder Anfang der 70er die Grundlage gelegt.

 

Bild: Ton Steine Scherben (Quelle: laut.de)