Das Vorantreiben der strategischen Ziele der Militarisierung und Zentralisierung der Staatsgewalt durch die deutsche Bourgeoisie nimmt so sehr an Fahrt auf, dass sich immer mehr aus ihrem demokratisch-liberalen Spektrum gruseln. Während einige Bourgeois mehr oder minder offen nicht die Wiedereinführung des Faschismus fordern, sondern mit ihr drohen, hat der aktuelle Ausnahmezustand anderen Bourgeois jetzt schon zu sehr den Geruch von Dauerhaftigkeit.



Auf ZEIT ONLINE erschien ein Meinungsartikel von Kai Biermann.
Darin kritisiert er bestimmte Maßnahmen von einem bürgerlichen, demokratisch-liberalen Standpunkt aus. Allerdings schafft er keine Analyse. Er titelt, der Rechtsstaat leide unter Corona. Dabei leidet bloß Biermann an naivem Rechtsidealismus.

1. Gehorsam ist die erste Bürgerpflicht

„Es soll nicht darum gehen, Ausgangssperren grundsätzlich abzulehnen oder zum Widerstand gegen Maßnahmen aufzurufen, die gegen eine Pandemie nutzen können. Körperliche Distanz hilft, das Verbreiten solcher Viren wie Corona einzudämmen. Doch bei allem Respekt vor der schwierigen Aufgabe, die Corona-Krise politisch zu meistern, ist längst eine Debatte über einige dieser Erlasse und Verordnungen angebracht. Denn ein Teil der Maßnahmen, die in jüngster Zeit im Kampf gegen das Coronavirus erlassen wurden, geht viel zu weit, ist rechtlich unscharf und teilweise vermutlich sogar illegal.“

Wir leben in Zeiten in denen in der BRD auf unbestimmte Zeit Ausnahmezustand ausgerufen wurde und in der Liberale ihre Kritiken daran mit einer Gehorsamsversicherung beginnen. Dies ist ähnlich wie bei den Äußerungen Lindners Ausdruck dessen, dass es sich auch bei den Liberalen um reaktionäre Bourgeois handelt. Sie sind grundsätzlich für die Herrschaft der Bourgeoisie und gegen die Rebellion der Massen und auf dieser grundsätzlichen Einigkeit mit den anderen Reaktionären fechten sie ihren Dissens mit diesen aus.

2. Ein Rechtsstaat taugt nicht viel zur Konterrevolution

„Der Passus, den er [Jens Spahn] in seinen Entwurf eines neuen Infektionsschutzgesetzes schreiben wollte, liegt ZEIT ONLINE vor. Er ging sehr weit. So sollten alle "geschäftsmäßigen Telekommunikationsdienste" verpflichtet werden, alle "erforderlichen Daten" herauszugeben, mit denen "mögliche Kontaktpersonen von erkrankten Personen" ermittelt werden könnten. Welche Daten genau? Das wurde darin nicht näher erläutert. Im Zweifel also alle Daten. Und das ohne irgendeinen rechtsstaatlichen Schutz. Der Gesetzentwurf sah keinen Richtervorbehalt vor, keine Informationspflicht der Betroffenen, keine Löschfristen, keine Dokumentationspflicht über Zahl und Art der genutzten Daten. Der Plan ist nach Einwänden von Juristen und Technikern politisch zunächst gescheitert, Spahn aber hat angekündigt, die Idee weiterzuverfolgen.“ Der Artikel ist hier.

Was in anderen Ländern schon Realität ist, und in Deutschland vorerst gescheitert, kann nach der Corona-Krise zur Überwachung der Organisationen von Massen genutzt werden. Denn spontane Organisierungen der Massen hinterlassen heutzutage meistens Spuren im Internet und auf Smartphones. Selbst die sogenannte radikale Linke lässt in weiten Teilen ihre Politarbeit über das Handy laufen, und nimmt diese Wanzen und Ortungsgeräte überall hin mit. Insofern handelt es sich hierbei um Maßnahmen zur Aufstandsbekämpfung. Dass Aufstände immer wahrscheinlicher werden, und die Bourgeoisie durchaus gut damit beraten ist, sich solche Mittel zuzulegen, dämmert dem Herrn Biermann nicht. Stattdessen sieht er nur seinen Rechtsidealismus verletzt.

„In Baden-Württemberg, so berichteten es der SWR und die Badische Zeitung, hätten die Gesundheitsämter der Kreise Lörrach und Waldshut den dortigen Ordnungsämtern bereits Listen mit Infizierten übermittelt. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Ordnungsämter sollten anschließend überprüfen, ob die Erkrankten auch zu Hause in Quarantäne bleiben.“

„Ähnliche Listen werden in Baden-Württemberg inzwischen mancherorts auch an die Polizei übermittelt. Das diene dem Schutz der Einsatzkräfte, zitiert der SWR einen Sprecher des Innenministeriums Baden-Württemberg. "Wenn die Polizei beispielsweise zu einem Verkehrsunfall gerufen wird, kann sie so überprüfen, ob der Betroffene infiziert ist." So könne sie Schutzmaßnahmen ergreifen. "Uns fehlen Informationen von Infizierten, wenn wir bei Einsätzen ausrücken", zitiert die Schwäbische Zeitung Hans-Jürgen Kristein, den Landeschef der GdP. Diese seien nötig, da der Polizei die Schutzkleidung fehle.“

Man wundert sich, warum die Polizei nicht Schutzkleidung bekommt. Fraglich ist auch, was die Information, dass jemand infiziert ist, denn ohne Schutzkleidung bringt. Doch mit Corona als Vorwand kann so ziemlich alles durchgesetzt werden. Die Rechte des Volkes bezüglich seiner Daten werden kurzer Hand abgeschafft. Wir dürfen und sollen uns schon mal daran gewöhnen, dass im Namen der funktionierenden bürgerlichen Ordnung, diesem heiligen Zweck, auch alle Mittel geheiligt sind. Das merkt irgendwie auch der Herr Biermann:

„Die größte Sorge von Schaar und auch Arzt ist allerdings nicht die kurzfristige Übertretung von Rechten in der akuten Krise. Ihre größte Sorge ist eine eher psychologische Wirkung, der sogenannte Türöffnereffekt: In der derzeit schwierigen Lage erhalte die Polizei neue Befugnisse, die jetzt nicht ordentlich geprüft und später nie evaluiert würden. Seien sie aber einmal installiert, würden sie künftig auch auf andere Situationen und Tatbestände ausgeweitet.“

Hier trifft der liberale Biermann des Pudels Kern. Die aktuelle Situation wird ausgenutzt, um die strategischen Ziele der Militarisierung und Zentralisierung der Staatsgewalt in konkrete Maßnahmen umzusetzen, die dann auch nach der Corona-Krise erhalten bleiben. Denn wie VW-Bonze Müller es gesagt hat: „Die nächste Krise kommt bestimmt.“
Dieser Effekt ist auch Absicht, aber von Absichten, von materiellen Interessen weiß der Idealist Biermann nichts.