Im Folgenden dokumentieren wir die deutsche Übersetzung einer Erklärung zur Hinrichtung eines Drogendealers in Griechenland, wie wir hier gefunden haben.

 

Wir übernehmen die Verantwortung für die Exekution des Mafioso Habibi, der nun schon zwei Jahre lang an vorderster Front bei gewalttätigen Vorfällen gegen BewohnerInnen und Stammgästen des Gebietes von Exarchia war, was im letzten Monat im blutigen Angriff auf drei GenossInnen des besetzten Sozialzentrums VOX gipfelte.

Er paranoide Charakter dieses spezifischen Individuums und die rücksichtslose Gewalt, die er bei der kleinsten Provokation ausübte, machte aus ihm einen potentiellen Serienmörder. Das Tyrannisieren, Stehlen und die Messerstechereien, die zum Repertoire seiner täglichen Präsenz auf dem Exarchia Platz gehörten, gaben ihm den Raum um sich als Leader aufzuspielen, den (angeblich) niemand in Frage stellen konnte. Mit der Stärke einer Herde von Kannibalen um sich herum, aber auch mit der Mafia und der Polizei im Rücken agierte er unbehelligt als Drogendealer und terrorisierte die Nachbarschaft, die, da von seiner Macht unterjocht und zum Schweigen gebracht, wehrlos und unfähig war, sich dem entgegenzustellen.

Die von seiner kriminellen Aktivität verursachte Angst macht ihn dreister und dreister, bis er wiederholt blutrünstige Angriffe vor den Augen von Dutzenden Einheimischen ausführte und blutende und halbtote Leute hinter sich liess, während er unbehelligt und breitspurig im Gebiet verblieb. Weil er, obwohl drogensüchtig und paranoid, genau wusste, dass es keine Folgen haben würde, weil wegen der durch Angst hergestellten allgemeinen Unterwerfung niemand eingreifen würde. Weil er wusste, dass er nicht verhaftet würde, denn als Bediensteter der Mafia war er de facto auch ein Mitarbeiter der Polizei.

Nur, seine Dreistigkeit erwies sich am Ende als „selbstmörderisch“ als er den Fehler beging, drei anarchistische GenossInnen des besetzten Sozialzentrums VOX anzugreifen und zwei zu verletzen. Der Geduldsfaden war gerissen und die Durchsetzung der revolutionären Volksjustiz erforderte sein Todesurteil. Nicht nur im Rahmen der Rache für die verletzten GenossInnen sondern auch zur Verteidigung einer dermassen verzweifelten Nachbarschaft, von der wir sicher sind, dass sie bei der Nachricht des Todes dieses Schleimscheissers aufatmen wird. Denn jemand musste zur Aktion schreiten. Für die nur minimale Wiederherstellung der Kräfteverhältnisse in der Nachbarschaft von Exarchia, um daran zu erinnern, dass der lange Arm des Para-Staates mit dem bestrafenden Arm der Bewegung zu rechnen hat. Wenn wir von Para-Staat reden, müssen wir klarstellen, dass sich für uns die Exekution dieses spezifischen Individuums nicht nur auf einen Schlag gegen den in Exarchia herrschenden 'Kannibalismus' beschränkt. Wir betrachten 'kannibalische Gewalt' nicht als allgemeine gesellschaftliche Erscheinung. Wir sind keine SoziologInnen, aber in der Klasse positioniert, die mit dem Kapitalismus im Kriege steht, und als solche ziehen wir in die Schlacht um Exarchia zurückzuerobern. Mit dieser Orientierung erstreckt sich diese spezifische Exekution auch auf den materiellen Konflikt mit dem parastaatliche Cluster Mafia-Polizei. D.h. sie ist Teil der Schlacht gegen einen der krassesten Ausdrücke des Kapitals. Und das weil Habibi von der Mafia von Exarchia nicht nur als einer unter den Dutzenden im Gebiet tätigen Drogendealern rekrutiert wurde, sondern auch als Gendarm, den den reibungslosen Profit seiner Bosse gewalttätig sicherte.

Habibis starker Hintergrund aller Arten von anti-sozialer Aktivität hatte ihn zum Spiessgesellen und bissigen Wachhund der Mafia in Exarchia gemacht. Und er war ein Wachhund, dessen Gewalttätigkeit, abgesehen von der psychotischen und durchgeknallten Art, als Bedrohung gegen alle funktioniert, die auch nur daran dachten, den reibungslosen Drogendeal zu stören. Schlussendlich also gegen alle, die die Herrschaft der Mafia auf dem Platz Exarchia faktisch in Frage stellten. Durch die Exekution von Habibi machten wir klar, dass wir die Herrschaft der Drogendealer faktisch in Frage stellen. Dass wir auch die Mittel haben uns mit ihnen anzulegen und wir sie, wenn es sein muss, frontal angreifen werden. In einem Angriff als geschichtliches und politisches Imperativ.

Der Cluster zwischen Mafia und Polizei, obwohl als Phänomen dermassen oft aufgeklärt, dass es niemanden überrascht, tritt in Exarchia entlarvend offen zutage. Wer in der Zone lebt, arbeitet oder rumhängt, weiss sehr gut, dass die Standplätze des Drogendeals nicht an entfernten Stellen zu finden sind, sondern im Gegenteil, die besten Standorte um den Exarchia Platz herum besetzten. Sie wissen auch wer und wann die Drogen verkauft, denn wir reden da von fast rund um die Uhr Schichten von Individuen, die in Exarchia leben und rumlaufen. Sie wissen welche Läden als Fassade zur Geldwäscherei dienen, wer die Mafiabosse sind und wo sie sichtbar bewaffnet rumhängen. Sie wissen auch, dass der Kommandant der Polizeistation von Exarchia einigen von ihnen ausserordentlich freundlich begegnet. Das alles findet jeden Tag vor unseren Augen statt und niemand sagt auch nur ein Wort.

Und niemand sagt was, weil Angst und Gleichgültigkeit herrscht. Und noch schlimmer, weil sogar unter den gesunden Kräften in der Nachbarschaft die Belanglosigkeit dermassen vorherrscht, dass sich nichts verändern kann. Tatsächlich sitzt der Wurzelstock des Netzwerks aus Schlägertypen, „AnarchistInnen“, Hooligans, grossen LadenbesitzerInnen, Drogendealern und Polizei tief. Und er ist so tief, dass es ein Erdbeben braucht um ihn zu entwurzeln. Dieses Erdbeben ist unser Ziel und um es zu erreichen, müssen wir zuerst die Lager klar voneinander trennen. Wer wir sind und wer gegen uns ist.

So können wir das klären und dann endet die Toleranz, der Umgang und die Balanceakte zwischen zwei Booten. Wir sind nicht alle eine Nachbarschaft und es gibt keinen Platz für alle von uns in dieser Nachbarschaft. Es wäre tragisch-komisch für die Polizei ein Unwissen über Leute und Situationen zu behaupten und, noch schlimmer, zu behaupten sie könne vor lauter Angst vor den AnarchistInnen nicht eingreifen. Es wäre tragisch-komisch denn die Polizei durchsucht, foltert und verhaftet die AnarchistInnen mit besonderer Expertise und Brutalität wenn es vor Ort zu Auseinandersetzungen kommt. Wieso geht dasselbe nicht auch mit den Drogendealern, Schlägern und Spiessgesellen? Die Frage ist natürlich rhetorisch. Und rhetorisch, weil wir in unserer Position als soziale KämpferInnen die Inaktivität der Polizei nicht anprangern könnten, denn das würde heissen, dass wir ihren Eingriff zur Lösung des Problems brauchen.

Im Gegenteil: wenn wir von der Abwesenheit einer Beschützung durch die Polizei reden, zeigen wir die unverfrorene Interessenvermischung und die Existenz einer parastaatlichen Front auf, womit sich nur das Volk und nur im Kampf befassen kann. Lassen wir uns also bloss nichts vormachen indem wir auf die Hilfe öffentlicher Organe und Institutionen warten. Sie sind alle verwickelt und alle gegen uns. Daher handelt es sich beim Problem von Exarchia im Grunde um den Zusammenprall mit dem Mechanismus der kollateralen Kapitalakkumulation. Anders gesagt, wir sprechen vom Parastaat, von der anderen Seite der kapitalistischen Profitabilität.

Die sogenannte Para-Wirtschaft ist ein Netzwerk unfassbaren Ausmasses, das Milliarden einbringt. Nebenbei: die heutige Einräumung, dass das „schwarze“ Kapital das Banksystem international rettet, ist besonders charakteristisch und beweist so nicht nur den Umfang des Profits sondern auch die Einheit der „illegalen“ und der „legitimen“ kapitalistischen Wirtschaft. Daher ist es angesichts dieser Einheit selbstverständlich, dass die Mafias der organisierte Ausdruck der „schwarzen“ Wirtschaft und folglich auch die laterale Organisation des Staatsmechanismus sind. RichterInnen, JournalistInnen, PolitikerInnen, Geschäftsleute und die Polizei bilden den Verwaltungsrat der Para-Wirtschaft und benutzen die verschiedenen nützlichen Idioten als „Strohmänner“ zur Erledigung der dreckigen Arbeit.

Folglich sind die aus Lumpen-parasitischen Elemente, „Rausschmeissern“, Kleinkriminellen und Möchtegerngangstern bestehenden Drogendealer von Exarchia einfach die nützlichen Idioten des Polizeipostens von Exarchia und GADA (Hauptquartier der Polizei von Athen) als offizielle Kontrollzentren des Drogenhandels. Dieser Abschaum, der vorgibt Escobar und furchtlos zu sein, sind niedere DenunziantInnen und KollegInnen der Polizei, sind Rüpel und durchtrieben, aber ohne Beschützer würden sie es nie wagen ihre Hand und nicht einmal ihren Blick an die zu legen, die für die Nachbarschaft von Exarchia kämpfen. Das Problem von seinen Wurzeln her begreifend, kommen wir zum Schluss, dass der Krieg gegen die Mafias ein Krieg im Herzstück der Kapitalakkumulation ist, es ist ein antikapitalistischer Krieg. Darum, und so werden wir uns nicht in unrealistischen theoretischen Vorstellungen verzetteln, die uns verleiten die Mafias nicht zu bekämpfen, weil der Kapitalismus auch ohne diese existiere (existieren werde), sagen wir, dass wir endlich irgendwo anfangen müssen. Denn Kapitalismus ist kein abstraktes sondern im Gegenteil ein greifbares, materielles und sehr spezifisches Verhältnis. Somit ist der Krieg zur Säuberung einer Nachbarschaft vom Bodensatz des kapitalistischen Ramsches, den die Mafia reinspült, kein Krieg der Ideen sondern ein Krieg zur Veränderung des realen Kräfteverhältnisses.

Klar, die Nachbarschaft von Exarchia wird von einer Reihe von Problemen geplagt. Der Anfang des Ganzen ist die Verwandlung Exarchias in eine Massenkonsummeile, was die Mafia anzieht und schlussendlich zum politischen und kulturellen Niedergang des Gebietes führt. Die Häufung von dutzenden von Gaststätten, die das historische und politische Gewicht und Erbgut des Gebietes wirtschaftlich einfahren und vom Verkauf eines alternativen Lebensstils und einer Pseudo-Aufrührigkeit profitieren, verursacht unter anderem eine auf Konsumismus und Entpolitisierung basierenden Ansammlung von tausenden von Jungen. Und genau hier findet die Mafia fruchtbaren Boden um aufzublühen. Denn das Gebiet bringt unvorstellbare Profite durch den „Schutz“ von dutzenden von Läden und noch viel mehr durch den Drogendeal ein. Traurige Tatsache ist, dass hunderte Jugendliche, die in einer politisch konstant aufständischen Nachbarschaft rumhängen die Freiheit völlig falsch auslegen und schlussendlich mit Drogenkonsum verwechseln. Die urbanen Ideologien, die allerlei auf Desorientierung und ideologische Aphasie abzielende Formen von „alternativem Lebensstil“ nährten, fördern den Drogenkonsum als angeblich befreiende Erfahrung und verwandeln tausende von jungen Kids in süchtige oder nicht BenutzerInnen und in „KundInnen“, welche die kriminellen Organisationen der Mafia wirtschaftlich unterstützen. Wir rufen diese Jungen auf, die an unserer Seite stehen könnten und sollten, zu bedenken, dass Drogen ein Mittel zur Beruhigung und nicht zur Befreiung sind. Wir rufen sie auf der Mafia ökonomisch nichts beizusteuern. Wir rufen sie auf in dieser Schlacht Stellung zu beziehen indem sie entweder aufhören Drogen zu nehmen oder Exarchia zu verlassen. Denn sonst, wenn der Kampf intensiver wird, muss den BenutzerInnen und der grossen Nachfrage, die den Dealern angeboten wird, allenfalls auch mit Gewalt begegnet werden. Wenn wir vom Drogenproblem und von der Drogenkultur generell als Erscheinung sprechen, von der die Jugend massiv überschwemmt wird, sagen wir klipp und klar, dass die Vergiftung unseres Gehirns und Körpers mit Substanzen eine flüchtige Erfahrung, eine Täuschung unserer unterdrückten Sinne und eine falsche Flucht von den uns quälenden realen und gängigen Problemen ist. Vor allem in der westlichen Gesellschaft, wo das Kapital jeglichen Aspekt unserer Gefühlswelt geplündert hat, ist die Substanz der Persönlichkeit durch ihre Verlegung in eine erstickende und entfremdete soziale Umwelt dekonstruiert worden. Durch die Verlegung in eine Welt der Einsamkeit, Unsicherheit, gefühlsmässigen Amputation und Depression. Durch die Verlegung in eine unvernünftige Beanspruchung und in ein unerträgliches Leben. Die gerechtfertigte Suche nach Auswegen wird tatsächlich auf verwahrloste Wege führen wenn sie in einem Zustand des Mangels an Klassenbewusstsein stattfindet. Die Drogen sind einer dieser Wege und möglicherweise der krasseste Ausdruck der Selbstkasteiung und Introversion weil wir vom gewünschten „Ausweg“ auf die schlimmste Art und Weise auf uns selbst und unsere Probleme zurückgeworfen werden. In anderen Worten, wir beantworten die von der Klassengesellschaft gegen uns gerichtete Gewalt nicht mit einer befreienden Gewalt, sondern mit einer gegen uns selbst gerichteten Gewalt. Darum kämpfen wir als RevolutionärInnen gegen die Drogen, weil sie eine der Stützen zur Durchsetzung der sozialen Paralyse aber auch ein Frontalangriff auf die Jugend bzw. den lebendigsten Teil der Gesellschaft sind.

Wir sagten vorher, dass es in der Nachbarschaft keinen Raum mehr für alle von uns gibt. Und damit meinen wir nicht nur die Mafia, sondern auch den Hooliganismus, wie auch immer er sich ausdrückt. Ob im politischen Gewand oder apolitisch und roh. Der Kampf um Exarchia, und sogar wenn wir in einen bewaffneten Konflikt treten müssen, betrifft nicht die Mittel des Kampfes sondern den Inhalt, den diese darstellen. Die Schlacht um Exarchia ist aus dem einfachen Grund eine Schlacht der Zivilisationen, weil es nicht um einen Zusammenstoss von zwei Gangs sondern von zwei Welten geht. Auf einer Seite die Welt des Parastaates und der Fäulnis und auf der anderen Seite unsere Welt der Hoffnung, der Solidarität und des Kampfes. Die Formierung unserer Seite ist aber nicht nur mit förmlichen Aufrufen zur Schlacht vollendet, sondern erst mit der Erziehung zu kulturellen Standards und zu deren Einhaltung, der von uns dargestellten neuen Welt. Darum ist die Schlacht um Exarchia eine Schlacht gegen das Kapital und seine Mafia aber auch gegen die innere Korrosion der Bewegung. Gegen die Drogenkultur, Undiszipliniertheit, den Anti-Sozialismus und die sinnlose Gewalt. Andernfalls sind wir dazu verurteilt, diesen Kampf zu verlieren oder, noch schlimmer, zum Teil des Problems zu werden.

Tatsache ist: wenn etwas nicht bis zu einem gewissen Punkt eingedämmt wird, wird es sich dermassen ausbreiten bis es dich schlussendlich zerdrückt. Es wird sich wie ein Krebs verbreiten. So im Falle von Exarchia, wo sich heute der eigentlich romantische Charakter des Kiezes, der die Ausgestossenen, die Kompromisslosen und die Enterbten immer aufgenommen hat, als falsch erweist. Nicht weil diese Leute nicht aufgenommen werden sollten, sondern weil sie dann die fundamentalen Spielregeln der sozialen Solidarität aufnehmen und verkörpern sollten. Sie sollten das Angebot annehmen aber gegenseitig und praktisch nachweisen, dass Solidarität nicht die Hintertür zum Chaos und Kannibalismus ist, sondern, durch ihre Fähigkeit zur Selbstinstitutionalisierung und zum harmonischen Umgang, Inbegriff der sozialen Reife. Bei der sozialen Solidarität geht es daher um Verantwortung und nicht einfach um Toleranz. Genauer gesagt, wenn wir es mit kriminellen antisozialen Elementen zu tun haben, wird der Umgang mit diesen nicht durch irgendeine unsichtbare Hand gesteuert, sondern durch unsere Fähigkeit zur Erhaltung eines wenigstens ausgewogenen Kräfteverhältnisses. Wir sollten sie im Auge behalten, uns ihnen gegenüber behaupten und sie daran erinnern, dass sie in einer feindlichen Umwelt leben. Sonst werden sich die Mafiosi und Hooligans sicher und stark fühlen, ihre Hegemonie auferlegen und uns eliminieren. Also, als Antwort auf unverständliche Theorien wie „so war Exarchia immer“ sagen wir, dass die, die das sagen, zu den konservativen Kräften gehören, also genau zu denen, die durch ihr Verhalten die dekadente Situation des Kiezes verewigen.

Folglich werden sie von jetzt an als Teil des Problems betrachtet. Exarchia ist eines der politisch am stärksten geladenen Gebiete Europas. Hier wurden harte Schlachten geführt, GenossInnen von der Polizei ermordet, Aufstände begonnen, Bewegungen und Ideen geboren. Das Image dieser nun der Dekadenz der Drogen, der Pseudounterhaltung und dem Hooliganismus ausgesetzten Nachbarschaft ist ein trauriges Image. Wir müssen jedoch auch zugeben, dass es die strukturellen, organisatorischen und ideologischen Probleme unserer Bewegung widerspiegelt. Im Namen einer latenten „Anti-Autorität“, die auf der Ebene der Ethik und der Beziehungen die Voraussetzungen zur Aufstellung der proletarischen Front mit den Voraussetzungen identifiziert, womit wir gegen die zivile Welt kämpfen, vergessen wir, dass man Brutalität nicht mit Zärtlichkeiten beantwortet. Folglich, wenn unsere Vorstellungen von den gesellschaftlichen Verhältnissen sich in eine Ideologie verwandeln anstatt in einem konstanten Konflikt zu ihrer Bewahrung, werden Lücken geschaffen und die Mächte des Feindes finden den Raum zur Belagerung unserer „Anti-Autorität“. Alle werden nach ihren materiellen Korrelationen und nicht nach unseren abstrakten Visionen eingeschätzt.

„Anti-Autorität“ müsste also, um in ihrem urbanen Entwicklungskontext zu überleben und um zu überzeugen, dass sie ein realistischer Vorschlag zur sozialen Organisation ist, ihren Feinden gegenüber Autorität ausüben. Sonst ist sie zum Scheitern verurteilt. Andererseits wirft eine breiter gemeinte Toleranz, die es den antisozialen Elementen erlaubt, in der Nachbarschaft Exarchia unbehelligt zu agieren, einige grundlegende Fragen auf. Wieso sind wir mit allen tolerant (oder sollten es sein), die mit dem Alibi ihrer nationalen oder angeblich politischen Identität (als ImmigrantIn oder als „AnarchistIn“) antisoziale Gewalt ausüben und sind dann mit der lokalen Gesellschaft nicht tolerant, die gerechtfertigterweise gegen sie protestiert. Wieso werden die Ersten als befreundete Kräfte und die Zweiten als KleinbürgerInnen oder FaschistInnen bezeichnet? An wen richten wir uns und wer sind unsere Verbündeten? Genau hier stossen wir auf die Tiefen des historischen Charakters der Bewegung, auf ihre Verzerrungen betreffend des Klassenkampfes und ihrer Rolle darin. Toleranz ist nun mal kein Gutschein zum freien Beitrag mit beliebigem Preis. Es ist ein saftiger Preis. Der Preis der Verantwortung. Und angesichts der Gefahr, in unserer eigenen Nachbarschaft zu Ausgestossenen und ethisch und politisch angegriffen und zur Verteidigung unseres Lebensraumes unfähig zu werden und gegenüber der Gesellschaft auch die Glaubwürdigkeit eines verantwortungsvollen Vorschlages zu verlieren, sagen wir, dass diese Verantwortung uns gehört. Um jeden Preis.

Wie verteidigen wir also faktisch die Selbstorganisierung in der Nachbarschaft von Exarchia, wenn wir alleine gelassen und bedroht werden? Sicherlich nicht indem man sich als abstrakte Formierung zu ihr bekennt oder als Struktur ohne jede Kommunikation mit der Aussenwelt. Selbstorganisierung heisst die Form (und nicht der Inhalt), in der unsere Kräfte fortbestehen. Heisst, dass wir mit unseren eigenen politischen und experimentellen Mitteln die Fähigkeit haben, das organisierte proletarische Lager gegen die bürgerliche Klasse aufzustellen. Gewerkschaften, Versammlungen, Kommissionen, Besetzungen, bewaffnete Gruppen usw. sind von den materiellen Ausdrücken der Selbstorganisierung, sind unsere Waffen gegen den bürgerlichen Staat uns seine Institutionen. Und genau weil Selbstorganisierung nicht Inseln und Gemeinschaften der Freiheit bedeutet, sondern Punkte der Gärung und Wachsamkeit der proletarischen Kräfte und des Angriffs gegen dieselben, müssen wir sie beschützen. Vor dem Reformismus genauso wie vor dem Klassenfeind. Milizen als Form der Selbstorganisierung, wann und wo auch immer sie als Notwendigkeit in Erscheinung traten, verteidigten das kollektive Interesse des Volkes und der Bewegung, aber auch ihr Recht zum Gegenangriff als Antwort auf die Gewalt der Kapitalisten und ihren Bediensteten. Gegen die Polizei, das Militär, die Faschisten und alle Arten von Paramilitärs. Die Milizen waren immer Fleisch vom Körper des Volkes und der Bewegung, weil sie deren Bedürfnissen dienten und die kollektive Antwort auf die Frage ausdrückten, wie wir unsere Kämpfe vor der Gewalt der Bosse bewahren und uns gegen die Gefahr schützen können, in einem Blutbad zu enden. Und schlussendlich drückten sie die nüchterne Bejahung der Gewalt als eine notwendige Voraussetzung zur Entwicklung des Klassenkampfes und auch im Hinblick auf die unausweichlichen Hindernisse aus, auf die er, falls wirklich revolutionär geführt, auf seinem Weg stösst. Heute, in Exarchia, obwohl wir uns in einem völlig anderen Zeit-Raum befinden als jener unserer Vorfahren, der die Milizen des letzten Jahrhunderts hervorbrachte, stehen wir vor denselben Fragen, vor denen unsere Vorfahren damals standen. Fragen der Organisierung und der Beschützung der Kämpfe gegen die Gewalt des Klassenfeindes. Auch wenn es nicht angebracht ist, mit automatischen Folgerungen und Nachahmungen weiterzumachen, müssen wir die Geschichte neu-lesen, die Gründe studieren, aus denen die bewaffneten Beschützer entstanden sind und von ihnen lernen. Daher sprechen wir hier an erster Stelle über den Inhalt und dann über die Form. Und das, weil der Inhalt gemeinsam ist und das diachronische existentielle Bedürfnis nach Selbstverteidigung betrifft. Die Tatsache der erforderlichen Gewalt einerseits und der besonderen aktuellen Wechselbeziehungen andererseits vorausgesetzt, gehört die Analyse der Form, die diese Verteidigung heute annehmen wird, der Bewegung.

Daher stellen wir auch die gerechtfertigte Exekution Habibis in den Rahmen dieser Notwendigkeit, Antworten auf die Fragen zur Beschützung des Volkes und der Bewegung zu finden. Motiviert durch die imperative Notwendigkeit, dem Zerfall Exarchias nicht länger gleichgültig beizuwohnen und den Kopf vor der Gewalt, die wir von diesen im Gebiet operierenden Schlägertypen bekommen, nicht mehr zu beugen aber auch um eine ernsthafte Diskussion über die von der Situation erforderten Mittel des Kampfes zu eröffnen, haben wir diese spezifische Aktion durchgeführt. Unsere Entscheidung steht in einem dialektischen Verhältnis zu den Mobilisierungen, die in den letzten Monaten in Exarchia gegen die Mafias und den allgemeinen sozialen „Kannibalismus“ stattgefunden haben. Weil wir diese Mobilisierungen positiv einschätzen, wollten wir mit unserem eigenen Ausdruck dazu beitragen. Denn Einheit ist, vor allem Anderen, unter einem gemeinsamen und imperativen Ziel wichtig und nicht unter ideologischen Identifizierungen. Weil die Mafia uns den Krieg erklärt hat und wir keine Zeit mehr verlieren dürfen. Anderenfalls werden alle die Fahne ihrer ideologischen Reinheit hochhalten während wir gleichzeitig zur schutzlosen Minderheit werden. Folglich sollten alle ihre Entscheidung treffen.

Entweder mit der Bewegung und ihrer Geschichte oder allein mit ihren ideologischen Illusionen.

ES GILT SIE ODER WIR.

ES GIBT KEINEN MITTELWEG.

BEWAFFNETE MILIZ GRUPPEN

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