Auszug aus dem Vorwort des Roten Frauenkomitee vom November 2013 zu dem Dokument Marxismus, Mariátegui und die Frauenbewegung der Kommunistischen Partei Perus vom April 1975:

Was ist Proletarischer Feminismus?
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Wir halten es für wichtig an dieser Stelle einige Worte über Mariátegui zu schreiben:
José Carlos Mariátegui (1894 - 1930) war ein Antirrevisionist und Kämpfer der III. Internationale, die von Lenin auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus gegründet wurde. 1928 gründete er die KPP mit der damaligen ideologischen, politischen und organisatorischen höchsten Entwicklung des Marxismus, dem Marxismus-Leninismus, als Basis. Dies war sein größtes Werk, dafür gab er sein Leben.

Im Jahre 1919 ging Mariátegui nach Europa und verbrachte dort viereinhalb Jahre. Er reiste unter anderem durch Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien. In Deutschland blieb er 1 ½ Jahre und interviewte Gorki, die meiste Zeit seines Europaaufenthalts verbrachte er in Italien. Dort diskutierte er mit Gramsci, Togliatti und anderen international anerkannten Marxisten und Schriftstellern. Er nahm 1922 an der internationalen Finanz- und Wirtschaftskonferenz von Genua (Conferencia Económica Europea), teil, welche das erste internationale Treffen war, an dem die Sowjetunion (als Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik, RSFSR) teilgenommen hat. An dieser Stelle ist es wichtig klar zu stellen, dass Mariátegui, entgegen anderen, falschen Verlautbarungen, bereits vor seiner Reise nach Europa Marxist war. Aber natürlich entwickelte er sich während seiner Reise weiter. Er las auch auf englisch, französisch, deutsch und italienisch. 

Mariátegui handelte immer aufs Engste mit den Massen, dem Proletariat und den Bauern, verbunden. Er hat nicht nur die Allgemeine Konföderation der Arbeiter Perus (Confederación General de Trabajadores del Perú, CGTP) gegründet, auch die Frage der Frau war für ihn von herausragender Bedeutung. Zusätzlich entwickelte er die Arbeit mit den Intellektuellen, wie z.B. der Lehrerschaft und den Jugendlichen. Er zeigte den Massen den Weg, entwickelte spezifische politische Linien und baute ihre Organisationen auf. Damit wirkte er entschieden auf eine einheitliche und organisatorische Entwicklung des Proletariats und des Volkes Perus ein. 

Mariáteguis Werke heben die Bedeutung der revolutionären Gewalt hervor, den revolutionären Krieg, die militärische Organisation und die Diktatur des Proletariats. Bei Mariátegui finden wir ähnliche Thesen, wie die des Vorsitzenden Mao, die heutzutage allgemeine Gültigkeit haben, z.B. über die Einheitsfront und die wichtige Frage der revolutionären Gewalt: „[…] die Macht wird durch die Gewalt erobert und sie wird durch die Diktatur verteidigt […]“ und „[…] die Revolution ist die blutige Geburt der Gegenwart“.

Durch seine Werke kristallisiert sich Mariátegui als ein proletarischer Militanter heraus, der den Marxismus festhält. Bei seiner Anwendung auf die konkreten Bedingungen des peruanischen revolutionären Prozesses hat er den 30-jährigen Kampf der peruanischen Arbeiterklasse und des peruanischen Volkes synthetisiert. Das Werk Sieben Versuche, die peruanische Wirklichkeit zu verstehen (orig.: Siete ensayos de interpretaciòn de la realidad peruana) ist in deutscher Sprache erschienen. Es ist eine meisterhafte Analyse auf Grundlage des marxistischen Standpunkts. In verschiedenen Bereichen wird die bis heute existierende Problematik in Peru behandelt. Andere deutschsprachige Übersetzungen gibt es in dem Buch Revolution und peruanische Wirklichkeit: ausgewählte politische Schriften, welches eine Sammlung seiner verschiedenen Schriften ist. Er wendet den Marxismus-Leninismus auf die Bedingungen eines halbfeudalen und halbkolonialen Landes an und analysierte auch andere ähnliche lateinamerikanische Länder.

Er war der erste marxistische Militante Perus, ein proletarischer Kämpfer, Denker, Organisator und direkter Protagonist des peruanischen Proletariats in Theorie und Praxis, der sich im Klassenkampf entwickelte, ein Produkt vom Klassenkampf des Proletariats: „Ich bin revolutionär. Aber ich denke, dass es einfach ist, sich mit Menschen, welche ausgereifte Gedanken und einen definierten Standpunkt haben, zu verstehen und sie zu schätzen, auch wenn man sich bekämpft. Vor allem, sich bekämpft. Der politische Bereich mit dem ich mich niemals verstehen werde, ist der Andere: der des mittelmäßigen Reformismus, der vom domestizierten Sozialismus, der von der heuchlerischen Demokratie“.

Die Frage des proletarischen Feminismus ist für uns nicht nur eine Frage der Emanzipation der Frau, sondern auch eine Trennungslinie gegenüber dem Revisionismus in all seinen Formen. Der proletarische Feminismus unterscheidet sich vom bürgerlichen und kleinbürgerlichen Feminismus, indem er die Notwendigkeit einer Revolution als Ausgangspunkt für die Emanzipation der Frau erkennt. Er ist Teil der Ideologie des Proletariats und kann konsequenterweise nur in engster Verbindung mit ihr existieren. So stellt sich für ihn immer die Frage, wie die Frauenbewegung im Verhältnis zur proletarischen Revolution steht.

Der proletarische Feminismus setzt sich dafür ein, wie es Lenin schon sagte: „[…] dass die Kämpfe für die Frauenforderungen mit dem Ziel der Eroberung der Macht und Aufrichtung der proletarischen Diktatur verbunden werden […]1 . Entsprechend der Weiterentwicklung des Marxismus fügen wir den Volkskrieg und die proletarische Kulturrevolution hinzu.

Der proletarische Feminismus kämpft gegen die Vorurteile, den Aberglauben und Apolitismus, gegen die ideologische Deformierung. Bezüglich dessen zitieren wir aus dem Dokument „Der Marxismus, Mariátegui und die Frauenbewegung“: „Der Fortschritt der Frauen war und ist der Fortschritt des Volkes. Aber sie waren nicht passive Begünstigte, sondern Schwestern in Waffen, entschiedene Kämpferinnen für die Sache der Unterdrückten und Militante der ersten Reihe. Die Schützengräben des Volkes sind überall auch mit der Farbe ihres unauslöschlichen Blutes gefärbt. […] Die Frau, im Besonderen die aus dem Volke, ist eine revolutionäre Kämpferin. […] Die Frau mit Klassenbewusstsein ist eine unermüdliche Kämpferin und eine entschlossene Militante“.

Wenn wir vom proletarischen Feminismus sprechen, geht es dabei nicht nur um proletarische Frauen. Natürlich sind sie die Hauptkraft, aber es geht um Frauen im Allgemeinen. Die Frau im Allgemeinen ist auf der ganzen Welt unterdrückt. Arbeiterinnen, Bäuerinnen, Frauen aus dem Kleinbürgertum und sogar die Frauen der Bourgeoisie. Sie alle erfahren den Widerspruch des Patriarchats, sie alle sind vom Widerspruch zwischen Mann und Frau betroffen und stehen somit im Widerspruch zum Patriarchat. Deshalb gibt es für die Frau zwei Gründe zu kämpfen. An erster Stelle, fundamental, steht der Kampf gegen den Imperialismus und an zweiter Stelle der Kampf gegen die Unterdrückung der Frau.

Proletarischer Feminismus ist nicht einfach Frauenkampf plus Proletariat. Es besteht ein ganz anderes Verständnis davon. Weil die Unterdrückung der Frau engstens mit dem Eigentum verbunden ist, darum ist Feminismus im Wesen revolutionär und teilt ein Ziel mit dem Proletariat. Denn die Ursachen sind, ebenso wie die Voraussetzung für die Emanzipation der Frauen und des Proletariats die gleichen. Die wahre Emanzipation der Frau ist nur mit der Aufhebung des Privateigentums, d.h. im Kommunismus, möglich.



1 Vgl. Zetkin, Erinnerungen an Lenin