In Würzburg wurde letzte Woche in der Nacht von Freitag zu Samstag eine junge Frau im Park angegriffen und schwer misshandelt (Quelle: Bayrischer Rundfunk https://www.br.de/nachrichten/unterfranken/versuchte-vergewaltigung-im-wuerzburger-ringpark-100.html). Sie wurde zu Boden geworfen und gewürgt. So schwer, dass sie beinahe gestorben wäre.

Keine Frage: Es ist richtig, Gewalt gegen Frauen zu thematisieren. Und natürlich gibt es diese reißerischen Geschichten von dunklen Parks und unzurechnungsfähigen, fremden Triebtätern, die dort jungen Frauen auflauern. Unseren Kampf führen wir sowohl für als auch mit den betroffenen Frauen dieser Geschichten. Aber wir fragen uns: Wo bleiben die Geschichten der alltäglichen Gewalt? Wieso spricht keiner darüber, dass der Großteil aller Vergewaltigungen innerhalb der Familie passiert und nicht in dunklen Parks?

Wir ahnen, dass wir die Antwort schon kennen: Weil es eben praktischer ist, die eine Seite herauszustellen und die andere tot zu schweigen. In der vorherrschenden Ideologie heißt es: Gewalt in der Familie darf nicht sein! In dieser Welt voller Konkurrenz und Elend verkörpert die Familie die heile und schützende Zuflucht. Was nicht sein darf, ist dann auch nicht. Entweder wird die patriarchale Gewalt geleugnet („da gibt es bestimmt eine andere Erklärung für“, „das würde er nie tun“, „die spielen doch nur ein Spiel“, oder als irgendeine andere der unzähligen Ausreden) oder sie wird gerechtfertigt (als „gerechte Strafe“ , als „sie wollte es doch auch“, als „sie hat sich das verdient“, „das steht ihm doch zu“, etc.). Wenn die Verhältnisse eindeutig sind und sich nicht mehr leugnen lassen, ist das Entsetzen groß und alle schreien laut und heuchelnd, dass das ein unvorstellbarer Einzelfall wäre und es kein schlimmeres Verbrechen gebe.

Nebenbei rechtfertigen die Gruselgeschichten von überraschenden Vergewaltigungen in dunklen Parks die patriarchale Unterdrückung der Frau. Uns Frauen wird gesagt, dass wir schwach sind und ohne starken Mann an unserer Seite nichts können und nichts wert sind.

Die Schlussfolgerung ist: Wir Frauen sollen besser nicht alleine rausgehen, schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Wir sind den triebgesteuerten Männern unterlegen und können uns nicht gegen sie wehren. Wenn wir uns widersetzen und dann vergewaltigt werden, sind wir im Prinzip selbst schuld – sie haben es uns doch gesagt. Bei dieser Alternative wirkt die Option sich einen Ehemann zu suchen, sich nicht in gefährliche Situationen zu begeben und sich von ihm beschützen zu lassen durchaus attraktiv. Der Preis dafür ist dann, sich von ihm mindestens in Teilen vorschreiben zu lassen, wie das eigene Leben abläuft. Als „schwächeres Geschlecht“ haben wir gemäß der patriarchalen Logik auch gegen ihn keine Chance, aber mit etwas Glück tut er uns keine physische Gewalt an.

Diesen Lügen dürfen wir nicht aufsitzen. Wir können uns wehren! Wir geben nicht einfach auf und fügen uns unserem patriarchalen Schicksal! Und vor allem: Täter sind schuld, nicht die Betroffenen! Ob wir Frauen kurze Röcke tragen, ob wir nachts durch Parks laufen, ob wir uns nun wehren oder nicht, ob in der Familie oder außerhalb: Niemals ist eine Vergewaltigung unsere Schuld!