Vergangenes Wochenende sind erneut hunderte von Flüchtlingen bei dem Versuch ertrunken den  Umständen ihrer Herkunftsländer zu entfliehen und nach Europa zu kommen. In der Nacht zu Sonntag kenterte vor der libyschen Küste ein Schiff mit über 800 Menschen, von denen nur ein Bruchteil gerettet werden konnte. Es ist das dritte Unglück dieser Art im April, welches die Anzahl an Mittelmeer-Toten für dieses Jahr auf über 1.500 erhöht. Diese Menge an Toten übertrifft auch bei weitem das Unglück im September 2014, bei dem 500 Menschen vor Malta ertranken.

Genau eine Woche zuvor war es bereits zu einem ähnlichen Unglück gekommen. Vor zwei Wochen kümmerte das jedoch kaum: Die bürgerlichen Medien, die Regierungsvertreter und „Experten“ waren grade in einer ausgiebigen Diskussion darüber, ob es richtig sei die ärztliche Schweigepflicht für Piloten aufzuheben. Kurz zuvor war es zu einem tragischen Flugzeugabsturz gekommen, bei dem 150 Menschen ums Leben kommen waren, „darunter 67 Deutsche“ (sic!). Für die Bergungsarbeit, die Suche nach den Flugschreibern usw. gab es mehrere Tage dauernde Berichterstattung mit Live-Tickern wie zum Beispiel bei der Tagesschau, der FAZ oder dem Focus, mit anschließender Diskussion darüber, wie sich Unglücke wie dieses In Zukunft verhindern lassen können und was die bereits eingesetzten Sicherheitsmaßnahmen bringen würden. Bei der Beisetzung im Kölner Dom, bei dem neben der Bundeskanzlerin, auch der Bundespräsident, der Bundestagspräsident, der Bundesratspräsident und der Vizekanzler sowie Minister aus Frankreich und Spanien teilnahmen wurde von der ARD und diversen Radios live in Netz übertragen.

Wenn aber wie vor zwei Wochen 400 oder wie jetzt 800 Flüchtlinge ertrinken, dann gibt es keine umfangreiche Liveberichterstattung der bürgerlichen Medien, keine rechtzeitige oder gar ausführliche Analyse der technischen Umstände die zum Unglück geführt haben. Vier Tage nach dem Unglück waren die Bergungsarbeiten grade soweit, dass 24 der über 800 Toten geborgen werden konnten. Die Särge in den die Toten beigesetzt wurden trugen Aufschriften wie „Body No: 132“ (dt.: Toter Nr. 132), weil offensichtlich nicht einmal die Mühe gemacht wurde, den Namen der Gestorbenen herauszufinden. Und warum sollten sich die Politik, Medien oder lokalen Handlanger auch mehr Mühe geben? Dem Schicksal der Menschen hinterher zu recherchieren würde bedeuten sich mit den Konsequenzen der Flucht auseinandersetzten zu müssen; mehr Tote aus dem Meer zu fischen hätte keine so aufgeräumten Fotos der Beisetzungsfeier erlaubt. Genau das repräsentiert auch die eiligst einberufene Sonderkonferenz der Politik, die in keiner Art und Weise Probleme von Flüchtlingen adressiert, sondern deren Situation auf dem seit Jahre gehaltenen Kurs weiter verschlimmert.

Würden die Gründe benannt werden warum Menschen zu Flüchtlingen werden, müssten Politik und Medien über Krieg, Hunger, Armut, Ausbeutung und Unterdrückung reden. Sie müssten darüber reden warum einige Länder andere in Abhängigkeit halten und müssten die Profiteure dieses Systems als Mörder an den Flüchtlingen denunzieren. All das findet in der bürgerlichen Presse selbstverständlich nicht statt. Für uns allerdings vollkommen klar, dass die Imperialisten diese Menschen zur Flucht getrieben und dann haben ertrinken lassen – sie sind die Mörder! Und diese Widersprüche werden nicht geringer, wie bspw. das Rekordniveau an Bootsflüchtlingen letztes Jahr zeigt, über das die UNO berichtete und besonders die von den Imperialisten initiierten Kriegsgebiete Syrien und Libyen benannte. Für die Bonzen ist die Frage also nicht, wie das Entstehen von Flüchtlingen zu verhindern, denn daher kommen ja die Gewinne, sondern wie zu verhindern das die Flüchtlinge nach Europa oder in die Öffentlichkeit kommen. Der jetzt verabschiedete „10-Punkte-Plan“ zeigt dabei die Linie der Reaktion, wie sie auch schon in der Vergangenheit umgesetzt wurde. Kurz gesagt: Mehr Überwachungen an den Grenzen (Punkt I.), Verteuerung der Flucht (II.), Erfassung aller Fingerabdrücke (V.), Ermöglichung einer noch schnelleren Abschiebung (VIII.) und mehr bürokratische Zusammenarbeit und behördlicher Austausch, auch mit den Regierungen in den Herkunftsländern. D.h. Die Reise für Flüchtlinge wird gefährlicher, weil sie größere Risiken eingehen müssen, um unentdeckt zu bleiben, sie wird teurer und ihre Kontrolle sowie schnelle Abschiebung ist gewährleistet. Die Dreistigkeit der Lüge, dass dieser Plan den Interessen der Flüchtlinge dient und ähnliche Unglücke in Zukunft dadurch verhindert werden könnten, ist an Zynismus kaum zu überbieten.

In diesem Sinne haben in verschiedenen Europäischen Ländern in der Vergangenen Woche Kundgebungen stattgefunden, die die Rolle der Imperialisten als Kriegstreiber und Mörder der Flüchtlinge denunzierten. In Köln etwa demonstrierten am Mittwoch über 300 Menschen und in Berlin griffen über 100 Demonstranten einen hochrangigen Vertreter von Frontex mit Farbe und Flaschen an und versuchten seine Veranstaltung zu stürmen. In Hamburg gab es eine Demonstration mit über 500 Teilnehmern.

screen shot 2015 04 19 at 11 53 19

Die Grafik zeigt alle Toten an internationalen Grenzen im Jahr 2014, im Mittelmeer starben 2014 täglich im Schnitt über 8 Menschen.