Interview mit einem Arbeiter in Norddeutschland, der bei einer der größten Hotelketten der Welt arbeitet.

 

Hallo Pavel, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
 
Hallo. Ich bin Pavel, am Ende meiner 40er. Vor etwas über 20 Jahren bin ich aus Jugoslawien hierher gekommen, nachdem die NATO unser Land zerstört hatte. In der Heimat hatte ich einen Beruf gelernt, allerdings durch den Krieg keine Erfahrung. Da hatten wir anderes zu tun. Ich war bereits während des Kriegs zu Besuch bei Freunden in Deutschland, die drängten mich einen Asylantrag zu stellen. Nach stundenlangem Anstehen gab es den Stempel "abgelehnt", weil der Krieg 20 km zu weit entfernt war. Aber nun war ich in Deutschland und mußte über die Runden kommen. Es gab Probleme mit den Arbeitspapieren, was mich eine Menge Zeit und Geld gekostet hat, bis meine Ausbildung schließlich anerkannt wurde.
 
 
Und heute, wie geht es Ihnen?
 
Naja, "ich kann nicht meckern", sagt man in Deutschland, oder? Ich habe Arbeit als Techniker in einem Hotel und zwei gesunde Kinder. Allerdings bin ich in Folge einer Operation gehbindert und habe Diabetes.
 
 
Sie haben die Ankündigung bzw. Anordnung von Kurzarbeit bekommen. Wie lief das ab?
 
Es gab ein Meeting mit den Mitarbeitern, an dem ich krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte. Da gab es keinerlei Aufklärung oder Information. Die Kollegen wußten gar nichts. Es war ein totales Durcheinander. Der Chef behauptet eine Mehrheit habe sich für die Kurzarbeit ausgesprochen. Eine Mehrheit? Wo die Meisten überhaupt nicht wissen worum es geht? Die hatten Angst. Wer dagegen spricht fliegt raus. Die hatten eine ordentliche Drohkulisse aufgebaut.
 
 
Und wie geht es jetzt für Sie und die Kollegen weiter?
 
Das weiß ich nicht. Auch dazu gab es keinerlei Hilfestellung. Darf ich einen Nebenjob annehmen? Ich weiß es nicht. Und wenn ja, kriege ich einen? Nicht jeder versteht all die bürokratischen Regeln und Vorschriften. Keiner hat sich Gedanken gemacht, wie die Leute über die Runden kommen sollen. Ich arbeite zur Zeit, obwohl ich krank bin. Als Techniker hast du immer Arbeit. Im Grunde ergibt sich für die Arbeit gerade sogar eine Möglichkeit. Sonst ist da immer Druck und Hetze, die Liste mit Sachen zu erledigen wird immer länger. Nicht nur in der Technik auch beim Housekeeping. So liegt bei uns z.B. immer noch Bauschutt hinter einigen Schränken. Auch der Rest könnte mit Arbeit versorgt werden. Zu tun gibt es genug.
 
 
Wie fühlen Sie sich in dieser Situation?
 
Im Hotel sind wir ganz unten, genauso wie in der Gastro. Die meisten kriegen hier Mindestlohn. Davon 60 Prozent? Und leben? Mir fehlen monatlich jetzt circa 1.000 Euro. Das ist das, was ich für meine Kinder an Unterhalt zahle. Aber eine andere Sache ist noch wichtig, darüber redet keiner. Die Fremdfirmen von denen die Spüler und das Housekeeping kommen. Das sind in der Regel Rumänen ohne "richtigen" Arbeitsvertrag. Die sind der Form nach selbstständig in Rumänien und bei Kontrollen, die dem Chef vorher angekündigt werden, wird einfach ein Zweitarbeitgeber genannt - meist das Hotel nebenan - und so das rechtliche Problem gelöst. Die haben keine Pausen und keine freien Tage. Und natürlich erzählen sie dir gar nichts darüber, weil sie das Geld unbedingt brauchen. Die kommen jetzt einfach weg, da kümmert sich niemand. Das sind Menschen dritter Klasse. Darüber müsst ihr sprechen.
 
 
Und Ihre Situation?
 
Hier Schulden, da Schulden, das wächst dir über den Kopf, dann machst du zu, verlierst die Kontrolle, alles wird egal. Überall wo du Hilfe suchst gehen Türen zu. Das kenne ich schon. Das ganze geht bei mir vielleicht 2 oder 3 Monate gut, aber danach?
 
 
Haben Sie einen Plan?
 
Nein. Das geht alles viel zu schnell. So viel ändert sich von Tag zu Tag. Über alles musst du dich selbst informieren. Von überall her gibts verschiedene Informationen, aber keine konkrete Beratung. Außerdem sind die Behörden zu. Bei mir steht jetzt ein Umzug an. Ich muss umziehen. Kommt dann die Polizei, wenn mir da 4 oder 5 Freunde helfen? Gibts da Knast oder Geldstrafe? Das kommt noch oben drauf: Die Leute werden verrückt gemacht, greifen sich gegenseitig an, rufen die Polizei. In den Nachrichten wird erklärt "Du bist der Böse, wenn du vor die Tür gehst". Wie soll das werden? Es ist so krass, wie schnell so viele ihre Rechte abtreten. Aber die andere Seite hat sicher einen Plan. Ich erinner mich noch wie das nach der Krise 2008 war. Jetzt Leute rausschmeißen, so 20% bis 30%, "betriebsbedingt", keine Abfindung und für die Neueinstellung gibt es dann Geld vom Staat.
 
Danke.